Werbung Bayerns Stromversorgung im Jahr 2022 Bayern Dezentrale Energien Erneuerbare & Ökologie 12. März 201212. März 2012 Hinweis: Die Bildrechte zu den Beitragsfotos finden Sie am Ende des Artikels Dezentraler – Nachhaltiger – Atomstromfrei Kommentierung der von der bayerischen SPD-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenen Studie „Bayerische Stromversorgung im Jahr 2022“ der Technischen Universität München, Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Anwendungstechnik Von Ludwig Wörner, MdL, Energie- und umweltpolitischer Sprecher und Natascha Kohnen, MdL, Stellv. Fraktionsvorsitzende Die nukleare Katastrophe im japanischen Fukushima hat der Welt einmal mehr auf erschreckende Art und Weise vor Augen geführt, wie hochgefährlich die Kernenergie ist. Auch hierzulande hat dieses furchtbare Ereignis Spuren hinterlassen. Die schwarz-gelben Regierungen sowohl im Bund als auch in Bayern haben seit dem eine 180-Grad-Drehung in der Energiepolitik vollzogen. Nur wenige Monate nach den von Union und FDP durchgesetzten Laufzeitverlängerungen wurden diese wieder rückgängig gemacht. Für Bayern bedeutet die neuerliche Änderung des Atomgesetzes, dass spätestens Ende des Jahres 2022 mit Isar 2 das letzte bayerische Kernkraftwerk vom Netz gehen wird. Die Umsetzung des Atomausstiegs ist für den Freistaat Bayern besonders anspruchsvoll, da der Anteil der Kernenergie an der Nettostromerzeugung in Bayern bei 51,1% (Stand 2010) liegt. Dieser hohe Atomstromanteil ist auch das Ergebnis einer jahrzehntelangen einseitigen, verfehlten Energiepolitik der Bayerischen Staatsregierung. Bei einer ehrlichen Kostenbetrachtung inklusive aller direkten und indirekten staatlichen Subventionen wäre der Preis für Atomstrom seit jeher erheblich teurer. Unter der auf Kernenergie fixierten Politik der Staatsregierung litt auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Im Vergleich zu den anderen Bundesländern lag Bayern bei der Zunahme der Windstromleistung zwischen 2005 und 2009 bezogen auf das Potenzial auf dem letzten Platz, bei den Bundesländerausgaben für Forschung und Entwicklung im Bereich Erneuerbare Energien auf dem vorletzten Platz. In der von der bayerischen SPD-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenen Studie zeigt die Technische Universität München (TUM) auf, wie die Stromversorgung Bayerns im Jahr 2022 aussehen könnte. Dabei gibt die TUM – im Gegensatz zu vielen anderen Studien dieser Art – keine Prognose über die wahrscheinlichste Entwicklung ab. Stattdessen hat die TUM nicht weniger als 15 verschiedene Szenarien durchrechnen lassen. Eine der Grundannahmen der Studie ist, dass der Stromverbrauch in Bayern im Jahr 2022 nicht niedriger sein wird als im Jahr 2010. Diese Annahme teilen wir, da Stromanwendungen künftig zunehmend Heiz- und Kraftstoffe verdrängen werden. Beispielhaft seien hier der zu erwartende vermehrte Einsatz von Elektrofahrzeugen sowie die steigende Zahl elektrischer Wärmepumpen genannt. Überdies geht das Bayerische Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung von einer Zunahme der Bevölkerung in Bayern bis zum Jahr 2020 aus. Es bedarf also enormer Anstrengungen, um den Stromverbrauch überhaupt auf dem momentanen Niveau zu halten. Große Einsparpotenziale gibt es hingegen in den Bereichen Wärme und Mobilität. In allen in der Studie untersuchten Szenarien ist ein zum Teil erheblicher Ausbau der Stromerzeugung aus Erdgas bis zum Jahr 2022 erforderlich. Beim Bau neuer Gaskraftwerke ist – insbesondere hinsichtlich der Standortwahl und der Größe der Kraftwerke – aus unserer Sicht zu prüfen, inwieweit diese auf der Basis von Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) betrieben werden können. Ein Vorteil der KWK ist, dass sie saisonal das Angebot aus Solarenergie ausgleichen kann. Die verstärkte Nutzung von Erdgas stellt aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion allerdings nur eine Übergangslösung dar. Die Erdgasvorräte sind endlich und bei der Verbrennung von Erdgas entsteht klimaschädliches CO2. Unser langfristiges Ziel ist daher eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien. Wir stehen vollumfänglich hinter dem Ziel, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40% gegenüber 1990 zu senken. Atomstrom ist bei Betrachtung der gesamten Prozesskette keineswegs CO2-frei, hat aber im Vergleich zu Gaskraftwerken in der Regel eine bessere CO2-Bilanz. Der Ersatz von Atomstrom durch Strom aus Gaskraftwerken führt somit grundsätzlich zu einem Anstieg der CO2-Emissionen im Stromsektor. Die Studie der TUM zeigt jedoch auf, dass es dennoch möglich ist, die strombedingten CO2-Emissionen Bayerns bis zum Jahr 2022 konstant zu halten, oder sogar zu reduzieren. Dies ist in sieben der 15 untersuchten Szenarien der Fall. Sehr positive Auswirkungen hinsichtlich der CO2-Emissionen hätte die Nutzung von Strom aus Offshore-Windkraftanlagen. Die in sechs der 15 Szenarien unterstellten Importe von 5 Gigawatt (GW) Leistung aus Offshore-Anlagen nach Bayern lassen sich allerdings nur dann verwirklichen, wenn in Nord- und Ostsee ausreichend Offshore-Windkapazitäten aufgebaut und an das Netz angeschlossen werden. Des Weiteren ist für den Stromtransport von Norddeutschland nach Bayern der Ausbau des Übertragungsnetzes erforderlich. Die Studie geht in den meisten Szenarien von einer installierten Photovoltaik-Leistung im Jahr 2022 von 20 GW aus. Dafür wäre ein weiterer massiver Zubau an Photovoltaik-Anlagen vonnöten. Da Photovoltaik-Anlagen ihren Strom größtenteils in das Niederspannungsnetz einspeisen, bedeutet das eine zunehmende Lastflussumkehr dahingehend, dass es immer öfter zu Lastflüssen von niedrigeren in höhere Netzebenen kommen wird. Da die Netzinfrastruktur darauf nicht ausgelegt ist, ist ein Um- und Ausbau der Stromverteilnetze unerlässlich. Darüber hinaus werden 20 GW Photovoltaik-Leistung nur dann erreicht werden können, wenn auch entsprechend Photovoltaik-Freiflächenanlagen errichtet werden. Eine der Schlussfolgerungen der Studie lautet, dass die Energieplanung Eingang in die Stadt- und Raumplanung finden solle und eine verstärkte Zusammenarbeit der verschiedenen Gebietskörperschaften vonnöten sei. Auch wir sind dieser Auffassung. Die entscheidende Rolle kommt dabei den Kommunen zu. Sie sind nicht nur Planungsträger bei der Ansiedlung von Erneuerbare-Energien-Anlagen, sondern können auch selbst Anlagen errichten. Bei den umfangreichen Aufgaben, die hier von den Kommunen zu erledigen sind, benötigen diese aber auch entsprechende Unterstützung. Von elementarer Bedeutung ist aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion bei allen Erneuerbare-Energien-Projekten die frühzeitige und umfangreiche Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Wenn bei solchen Projekten von lokalem Widerstand seitens der Anwohner berichtet wird, so liegt das häufig daran, dass die Menschen vor Ort weder informiert noch beteiligt wurden. Daher plädieren wir dafür, die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an in die Planungen miteinzubeziehen. Transparenz und Beteiligung sind keine Hindernisse, sondern sogar Voraussetzungen für das Gelingen der Energiewende. Methoden der Bürgerbeteiligung sollten daher Bestandteil der Ausbildung der Ingenieure in allen relevanten Studiengängen werden. Um die Energiewende im Strombereich erfolgreich umzusetzen, stellt die SPD-Landtagsfraktion folgende konkrete Forderungen: Die Bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, ausreichend Fördermittel aus dem Bayerischen Haushalt zur Erforschung innovativer Netztechnologien zur Erhöhung der Übertragungskapazität und der Netzintegration von Erneuerbaren Energien bereitzustellen; alle geeigneten Maßnahmen zu unterstützen, die den erforderlichen Aus- bzw. Umbau der Übertragungsnetze und der Verteilnetze zügig voranbringen; ausreichend Fördermittel aus dem Bayerischen Haushalt zur Erforschung von Lang-und Kurzzeitenergiespeichern bereitzustellen; ausreichend Fördermittel aus dem Bayerischen Haushalt zur Erforschung eines intelligenten Lastmanagements bereitzustellen; sich dafür einzusetzen, dass auf europäischer Ebene ein dynamisches Top-Runner-Programm nach japanischem Vorbild eingeführt wird. Bei diesem System setzt das energieeffizienteste Produkt die Messlatte für alle anderen Produkte seiner Klasse, die diese innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreichen müssen; eine Bildungsoffensive zu initiieren, die einen Mentalitätswandel hin zu einem effizienteren und sparsameren Umgang mit Energie herbeiführen soll; sich bei etwaigen Verhandlungen bezüglich der Vergütungsregeln für Strom aus Photovoltaik-Anlagen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gegen eine feste Mengenbegrenzung beim Photovoltaik-Zubau auszusprechen. Selbstverständlich muss das EEG fortlaufend geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Ein starrer Zubau-Deckel würde aber nicht nur die Solarbranche empfindlich treffen, sondern auch die Energiewende gefährden; sich auf Bundesebene für eine Wiedereinführung der EEG-Vergütung für Solarkraftwerke auf Ackerflächen einzusetzen. Um lokalen Flächenkonkurrenzen entgegenzuwirken, könnten die maximal auszuweisenden Flächen für Freiflächen‐Solarkraftwerke auf ein Prozent der kommunalen landwirtschaftlichen Flächen einer Gemeinde beschränkt werden; sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass das Einspeisevergütungssystem des EEG um eine Bedarfskomponente ergänzt wird, die einen Anreiz für die bedarfsorientierte Einspeisung von Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen setzt (Kombikraftwerksbonus); sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass Privatverbrauchern und Kleinbetrieben nicht durch immer weiter gehende Ausnahmeregelungen für Großverbraucher bei der EEG-Umlage oder den Netzentgelten fortwährend höhere Stromkosten aufgebürdet werden. Die neuerlichen Ausweitungen der Ausnahmeregelungen im EEG 2012 sowie in der Stromnetzentgeltverordnung 2011 sind zurückzunehmen; auf den Internetseiten sowohl des Bayerischen Wirtschafts- als auch des Umweltministeriums einen umfassenden Förderatlas für Erneuerbare Energien, Energieeinsparung und Energieeffizienz zu veröffentlichen, der stets aktuell sämtliche Förderprogramme von EU, Bund, Freistaat und Kommunen auflistet; die Lehrcurricula aller für die Energieversorgung relevanten Studiengänge (z.B. Ingenieurswissenschaften) um die Thematik der Bürgerbeteiligung zu ergänzen. PM: Ludwig Wörner MdL Energie- und umweltpolitischer Sprecher Natascha Kohnen MdL Stellv. Fraktionsvorsitzende http://www.ludwig-woerner.de/ Weitere Beiträge:Verbände fordern Beschleunigung statt weiterer Verzögerung beim WindenergieausbauHithium setzt mit dem weltweit ersten Großbrandtest mit offener Tür neue Maßstäbe für die Sicherheit...Bundeskabinett beschließt sechsten Monitoring-Bericht zur Energiewende