Werbung Die beste CCS-Technologie hat die Natur erfunden: Das Moor Ökologie 8. Dezember 20117. Dezember 2011 Erste Verhandlungserfolge bei der UN-Klimakonferenz in Durban: Neben der Erhaltung und Wiederherstellung von Wäldern in Entwicklungsländern sollen auch die Moore in die REDD-plus-Ausgleichszahlungen einbezogen werden. Das nützt auch der biologischen Vielfalt. Durban 07.12.2011: Wer an Kohlenstoffspeicher und -senken denkt, denkt in der Regel an Wälder. Kaum sichtbar wird in der Debatte die herausragende Rolle der Moore. Denn im Gegensatz zu den Wäldern bedecken sie nur einen Bruchteil der Erdoberfläche. Im Zeitalter des Emissionshandels könnte und sollte sich das allerdings ändern. Denn tatsächlich sind Moore die effektivsten Kohlenstoffspeicher, die es gibt. Derzeit werden sie aber im großen Stil in Ackerland für vermeintlich klimafreundliche Biotreibstoffe umgewandelt. Diese trockengelegten Moore machen einen riesigen Teil der weltweiten CO2-Emissionen aus. Im Kyoto-Protokoll ist diese große Bedeutung jedoch noch nicht verankert. Die Renaturierung und Erhaltung von Mooren können Staaten bisher nicht als Klimaschutzmaßnahme anrechnen. Stattdessen legen die Regelungen Steine in den Weg. Der Niederländer Prof. Hans Joosten, Professor an der Universität Greifswald, setzt sich bei der Weltklimakonferenz in Durban als Delegationsmitglied von Weißrussland für eine stärkere Beachtung der Moore in der Klimarahmenkonvention ein. Weißrussland ist zu einem Drittel von Mooren bedeckt. Mit 22.352 Quadratkilometern rangiert es weltweit an 15. Stelle der moorreichen Länder. „Das ist ein großes Potenzial für den weltweiten Klimaschutz, das sich das Land unbedingt erhalten muss“, sagt Joosten. Denn Moore spielen im globalen Kohlenstoffhaushalt eine größere Rolle als weithin bekannt ist. Sie nehmen global nur etwa drei Prozent der Landoberfläche der Erde ein, speichern jedoch doppelt soviel Kohlenstoff wie die Bäume aller Wälder der Erde zusammen. 550 Gigatonnen Kohlenstoff, das entspricht drei Vierteln der Menge der gesamten Atmosphäre (800 Gigatonnen), haben sich hier über Jahrtausende Schicht für Schicht im Torf angesammelt und jährlich kommen bis zu 250 Mio. Tonnen dazu. Moore enthalten in unseren gemäßigten Breiten sieben Mal, in den Tropen sogar zehn Mal mehr Kohlenstoff als andere Ökosysteme. Abgestorbene Pflanzenteile werden in einem Moor nicht vollständig abgebaut und mit Sauerstoff zu CO2 umgewandelt, sondern bleiben unter Luftabschluss als organisches Material erhalten: Die beste CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage)-Technologie, die man sich vorstellen kann, hat die Natur entwickelt. Dennoch werden Moore weltweit zerstört, auch in Weißrussland. Denn Torfabbau und Landwirtschaft bringen wirtschaftliche Erträge. Doch diese Umwandlung, oft zur Produktion vermeintlich klimafreundlicher Energiepflanzen, und der Klimawandel machen die Moore zur Zeitbombe. Denn wo viel lagert, entweicht auch viel, wenn die Funktion als Kohlenstoffsenke und -speicher ausfällt. Zerstörte Moore nehmen heute zwar nur 0,3 Prozent der globalen Landfläche ein, sind jedoch für sechs Prozent (zwei Gigatonnen) der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich. Und während ein abgeholzter Wald vor allem die Kohlenstoffmenge des oberirdischen Materials freisetzt, kann der Zersetzungsprozess eines Moores Jahrhunderte andauern. So lange emittiert der Boden weiter. Weißrussland kommt dadurch im Flächenverhältnis auf Platz drei in der Rangliste der Länder mit hohen CO2-Emissionen von Mooren. 41 Megatonnen an Torf-CO2 steigen pro Jahr aus seinen Agrar-, Forst- und Torfabbauflächen, was fünf Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes Deutschlands von 2010 entspricht. Torfmoore sind oft Hotspots der Artenvielfalt Oft sind Wälder und Moore ein gemeinsames Ökosystem. Diese Sumpfwälder der landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, ist dann besonders fatal. Indonesien ist mit 500 Megatonnen CO2-Emissionen aus trockengelegten Moorwäldern an der absoluten Spitze der Emittenten. So werden im Süden Borneos und auf Sumatra große Teile der Torfmoorwälder zugunsten von Palmölplantagen und der Goldminenbetreiber umgewandelt. Diese Wälder sind jedoch nicht nur aus Klimasicht einzigartig. Sie sind auch Lebensraum einer einzigartigen biologischen Vielfalt. Hier befindet sich beispielsweise das Hauptverbreitungsgebiet des Sundagavials, einer der größten Krokodilarten der Welt. Die Art ist inzwischen stark bedroht – ein weiteres Argument also, diese einmaligen Ökosysteme zu schützen. In Deutschland sind zwischen 90 und 99 Prozent aller Moore für Landwirtschaft und Torfgewinnung entwässert und zerstört. 2,5 bis fünf Prozent der gesamten CO2-Emissionen der Republik gehen auf das Konto dieser Flächen, was ca. die Hälfte der Klimaschutzleistung deutscher Wälder wieder aufhebt (Freibauer er al. 2009). In Mecklenburg-Vorpommern, wo sehr viele Moore trocken gelegt wurden, übersteigen deren Emissionen den Verkehrssektor um das Doppelte, die der Industrie gar um das Zehnfache. Wiederherstellung von Mooren ist eine der günstigsten Klimaschutzmaßnahmen Allerdings sind trocken gelegte Moore nicht gleich völlig verloren. Sie können wiedervernässt werden und erlangen mit etwas Geduld und vor allem Schutz ihre Funktion als Kohlenstoffsenke wieder. Wissenschaftler der Universität Greifswald untersuchen hierbei, wie schnell und unter welchen Bedingungen sich nach der Wiedervernässung wieder ein funktionsfähiges Ökosystem ausbildet. Dies hängt entscheidend von den sich ansiedelnden Pflanzenarten ab. Schilf beispielsweise bildet unter nassen Bedingungen viel Torf. Torfmoose (Sphagnen) speichern das 20 bis 30-fache ihrer Biomasse an Wasser und senken den pH-Wert ihrer Umgebung auf einen Wert um vier ab. Dadurch bilden sie effektiv Torf und schaffen sich konkurrierende Pflanzen vom Hals. An Nährstoffen reicht ihnen, was das Regenwasser bereithält. So gut angepasst diese Moorpflanzen an nährstoffarme feuchte Böden auch sind, so schwer tun sie sich mit der Konkurrenz hochproduktiver Sumpfarten auf ehemals überdüngten landwirtschaftlich genutzten Flächen. Manche ehemalige Moore können deshalb nicht wiederhergestellt werden. Bei anderen dauert es oft etliche Jahre bis sich die typische Vegetation eines Moores wieder einstellt. Und damit ein wertvolles Ökosystem, das zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt. „Effektiver Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen ist nur interessant, wenn die Länder davon auch wirtschaftlich etwas haben.“ ist Hans Joosten überzeugt. In der Klimarahmenkonvention würden dazu verschiedene Ansätze wie Zertifikathandel und REDD+ diskutiert. Auch Feuchtgebiete ließen sich dabei bereits anrechnen. Allerdings kritisiert Hans Joosten in einer aktuellen Publikation die bisherigen Regelungen im Kyoto-Protokoll als abschreckend. Ein grundsätzlicher Aspekt, den Joosten bemängelt: Nur Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen, nicht aber solche zur Erhaltung eines Ökosystems als Kohlenstoffspeicher werden belohnt. Darüber hinaus müssten die Regelungen zur Anrechnung von Klimaschutzmaßnahmen um die Wiedervernässung von Mooren erweitert werden, um für die Nationen attraktiv zu werden. Denn bisher konnten die Länder Moorrückbildungsmaßnahmen nur als Teil des großen Ganzen auf ihre Klimabilanz anrechnen, z.B. als CO2-Einsparungsmaßnahme in der Weideland- oder Waldwirtschaft. Eine eigene Kategorie gibt es nicht. Das derzeitige Kyoto-Protokoll blockiert die Erhaltung und Wiederherstellung von Mooren im großen Stile Der Haken an der Sachen: Entscheidet sich ein Land freiwillig für eine Aktivität (z.B. Grünlandbewirtschaftung), muss es allerdings die gesamte Treibhausgasbilanz auf allen Grünlandflächen, also auch die der umgewandelten Moore, betrachten. Möchte z.B. Deutschland Emissionsreduktionen aus der Wiedervernässung von Moorgrünland anrechnen, müsste es nicht nur die etwa 600 km2 verrechnen, die schon wiedervernässt sind, sondern auch die restlichen 6.000 km2 an Moorgrünland, die noch immer entwässert sind, und außerdem die 60.000 km2Grünland auf Mineralboden. Eine wenig attraktive Option, zu aufwendig, und am Ende stünde wohl bei den meisten Ländern eher eine negative Bilanz. Weshalb sich die meisten Länder für die Anrechnung ihrer Waldflächen entscheiden, da Holz schon heute einen direkten Marktwert hat und man die Differenz der Biomasse, die abgeholzt und die aufgeforstet wird, relativ gut erfassen kann. Um der Moorwiedervernässung eine Chance zu geben, fordert Joosten die Änderung des Kyotoprotokolls hin zu einem landbasierten Ansatz. Dabei sollen alle Treibhausgasflüsse von allen (genutzten) Flächen in einem Land verrechnet werden und endlich ein vollständiges Bild des gesamten Landnutzungssektors schaffen. Dieses „Land-based accounting“ würde auch Schlupflöcher durch Verlagerung von Emissionen zwischen Sektoren und Landnutzungskategorien schließen, wie es derzeit häufig beim zunehmenden Anbau von „Bioenergieträgern“ auf entwässertem Moor (z. B. Anbau von Mais für Biogas) geschieht. Hierbei werden die Vorteile (Ersatz von fossilen Brennstoffen) voll verrechnet, die meist viel größeren Emissionen aus dem Boden im Landnutzungssektor bleiben jedoch unberücksichtigt, wenn, wie üblich, Ackerlandbewirtschaftung nicht als Kyoto-Aktivität gewählt worden ist. Erfolg in Duban: Moore werden in den REDD+Mechanismus integiert Allerdings sind die Verhandlungen zur Anrechnung von Moorschutz- und wiedervernässungsmaßnahmen auf die Klimabilanz noch lange nicht so weit. In Durban geht es derzeit um die Frage, ob Moore überhaupt eine Rolle im Kyotoprotokoll spielen soll. „Nur eine „Ja“ der Vertragsstaaten würde den Ländern endlich die Möglichkeit eröffnen, das große Potenzial auszuschöpfen.“ meint Joosten. „Und das „Ja“ würde auch gleichzeitig einen nicht geringen Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt leisten“. Und diese Einschätzung scheinen in Durban alle Entwicklungsländer und China zu teilen. Sie haben am Montag gefordert, die Anrechnung von Moorschutzmaßnahmen verpflichtend im Kyotoprotokoll anzurechnen. Europa möchte dies lieber auf eine freiwillige Basis stellen. Beides wäre aus Sicht von Hans Joosten ein Erfolg, auch wenn die Pflichtregelung den Mooren noch deutlich mehr helfen würde. Hier sind zähe Verhandlungen bis zum Wochenende zu erwarten. Einen wesentlichen Schritt weiter sei man beim REDD-Mechanismus, bei dem Entwicklungsländer Ausgleichszahlungen für Naturschutzmaßnahmen, auch die Erhaltung von Ökosystemen, bekommen sollen. Hier konnten sich die Vertragsstaaten nach anfänglicher Blockade der Geberstaaten darauf einigen, dass die Erhaltung der sehr kohlenstoffhaltigen Moore ebenfalls in den Fördertopf einbezogen werden soll. „Das ist ein großer Erfolg und wesentlicher Schritt zur Anerkennung der Bedeutung der Moorökosysteme.“ freut sich Joosten. Weißrussland setzt bereits auf Wiedervernässung. 36.000 Hektar sind hier in den letzten sieben Jahren wiedervernässt worden, großenteils mit Hilfe der deutschen Bundesregierung. Die Flächen emittieren jetzt Jahr für Jahr im Schnitt rund zehn Tonnen CO2-Äquivalente pro Hektar weniger als vorher, wie die Messungen der Experten aus Greifswald ergaben. Mit solchen Messungen legen die Forscher die Basis für die ökonomischen Bewertungen und Vergütungen. Und die müssen so exakt wie möglich sein, denn je genauer die Datenlage, desto leichter können Standards festgelegt werden. So könnten sich heute noch größtenteils staatlich geförderte Maßnahmen mit der richtigen Klimapolitik künftig in einen großen Investmentmarkt verwandeln – und das nicht nur in Weißrussland. „Das Klimaschutzpotential von Mooren ist riesig.“ sagt Hans Joosten. Allerdings müsse man endlich langfristig denken. „Viel zu lange wurde die Natur als Gratisgut betrachtet und entsprechend achtlos übernutzt und missbraucht. Dabei liefern intakte Ökosysteme die Grundlage funktionierender Gesellschaften und der Wirtschaft.“ Diese Tatsache sollte den Regierungen bewusst und unterstützenswert sein.“ Oder auch privaten Investoren. Denn längst haben Firmen die positive Emissionsbilanz als Faktor für ein gutes Image entdeckt. Und während man sich auf Staatenebene noch gegen Verpflichtungen sträubt, werden auf freiwilliger Basis bereits viele Klimaschutzprojekte als Ausgleich der eigenen CO2-Bilanz gefördert. Hierfür wurden verschiedene Maßstäbe entwickelt, die sich meist an jenen des Kyoto-Protokolls orientieren. Der Verified Carbon Standard VCS ist der wichtigste Standard für Landnutzungsprojekte und der einzige, der ein eigenes Programm für Moorprojekte anbietet. Über 600 Projekte weltweit werden danach durchgeführt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat eine Möglichkeit für Privatpersonen geschaffen, ihre eigenen CO2-Emissionen, sei es durch Flüge oder die Nutzung von PKW, durch Unterstützung von Wiedervernässungsmaßnahmen auszugleichen. „Moor Futures“ heißt das Zertifikat. Es steht für eine Tonne CO2 und kostet zwischen 10 und 50 Euro. Die Internetseite www.moorfutures.de hält einen entsprechenden Rechner bereit. Kontakt: Prof. Hans Joosten Leiter AG Moorkunde und Paläoökologie Universität Greifswald Tel: +49 (0)3834 86- 4177 E-Mail: joosten@uni-greifswald.de PM: Sebastian Tilch Pressearbeit Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Foto: Hermann Betken Weitere Beiträge:Erneuerter Förderstopp für Energiewende im Gebäudesektor: Vertrauen in die Politik weiter zerstörtØrsted erweitert sein Dekarbonisierungsziel für die gesamte LieferketteRWTH verleiht Adjunct Professur an Wärmewende-Experten