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Alles andere als nachhaltig, die Speicherung von CO2

PB: Ein visuelles Argument kann vielleicht eine noch bessere Vorstellbarkeit ermöglichen. In der Abbildung sieht man die im Bau befindliche CCS-Anlage "Mammoth" von Climeworks in Island. (Foto: © Climeworks)
Hinweis: Die Bildrechte zu den Beitragsfotos finden Sie am Ende des Artikels

Dr. Bernhard Weßling gibt eine rein naturwissenschaftliche Analyse: zu CCS und CCU

(WK-intern) – Energie- und Entropieanalyse deckt grundsätzliche Irrtümer auf

Kürzlich (am 10. 4.) wurde von der Leopoldina eine Ad-hoc-Stellungnahme zur Entnahme und Speicherung von CO2 veröffentlicht.

  • Diese Nationale Akademie der Wissenschaften fordert darin, dass der Atmosphäre zusätzlich zur Einsparung von Emissionen auch dauerhaft CO2 entzogen und gespeichert (endgelagert) werden müßte.
  • Es müßten jährlich 60 bis 130 Millionen Tonnen sein. Zwar werden auch Ökosysteme (Moore, Wälder) erwähnt, deren Speicherpotential könne aber noch nicht quantifiziert werden.
  • Neben der Speicherung (CCS) wird auch die Nutzung (CCU) positiv bewertet und empfohlen.

Es gibt auch immer wieder kritische Stimmen dazu, die jedoch alle politischer Art sind und im wesentlichen nur auf 3 Aspekte verweisen: a) Mit CCS / CCU werde es erlaubt, weiterhin fossile Energieträger zu nutzen und auch die Zementindustrie so weitermachen zu lassen wie bisher; b) die Speicherung sei nicht sicher, und c) CCS / CCU seien zu teuer.

Der entscheidende Aspekt wird übersehen: Weder CCS noch CCU sind nachhaltig. Das heißt, sie verursachen an anderer Stelle der Umwelt weit mehr Schäden (Kollateralschäden), als an positiven Effekten für das Klima erhofft wird. Das ergibt sich aus einer Energie- und einer Entropie-Bilanz von CCS bzw CCU.

In einem Grundsatz-Artikel sind Details dazu nachzulesen, er wird in „Naturwissenschaftliche Rundschau“ Nr. 5-2024 erscheinen. In diesem Artikel wird auch in den thermodynamischen Hintergrund dazu eingeführt, in sehr einfach verständlicher Form.

Es ist fraglos ein bislang ungewöhnlicher Gedankengang, nichtsdestoweniger auf solider naturwissenschaftlicher (thermodynamischer) Basis. Eine Kritik daran müßte ebenfalls auf thermodynamischer Basis stehen und z.B. Rechenfehler oder einen grundsätzlichen Gedankenfehler nachweisen (was beides nicht ausgeschlossen werden kann), deshalb stelle ich ja meinen Vorschlag unter Wissenschaftlern zur Diskussion, und auch der Leopoldina habe ich ihn zukommen lassen.

Aber wahrscheinlich ist eine reine Energiebetrachtung für die Allgemeinheit leichter zugänglich:
Für die Absorption und Speicherung von 1 Tonne CO2 (mittels CCS) sind insgesamt 16 Mio kJ (= 16 GJ) Primärenergie erforderlich (zur Bereitstellung von Wärme und Elektrizität inkl Wirkungsgradverlusten), das ist etwa 6 Mal so viel, wie wir an Energie nutzen konnten, als diese 1 Tonne CO2 in einem Kraftwerk erzeugt wurde (Details dazu in dem Artikel für die „Naturwissenschaftliche Rundschau“). Allein das müßte ausreichen, uns klarzumachen, daß CCS nicht nachhaltig ist.

Nun müssen wir das Ganze aber noch mit 60 bis 130 Millionen Tonnen CO2, die die Leopoldina mittels CCS / CCU zu entfernen für notwendig hält, multiplizieren. Wenn wir als Mittelwert 100 Mio t für die Berechnung nehmen, kommen wir auf einen Primärenergiebedarf von 1.600 PJ (1.600 Billiarden Joule).- Das wären 15% des Primärenergieverbrauchs Deutschlands in 2023 oder gut 18% des für 2030 angestrebten Primärenergieverbrauchs (siehe das Diagramm des Umweltbundesamtes).

PB: Ein visuelles Argument kann vielleicht eine noch bessere Vorstellbarkeit ermöglichen. In der Abbildung sieht man die im Bau befindliche CCS-Anlage "Mammoth" von Climeworks in Island. (Foto: © Climeworks)
PB: Ein visuelles Argument kann vielleicht eine noch bessere Vorstellbarkeit ermöglichen. In der Abbildung sieht man die im Bau befindliche CCS-Anlage „Mammoth“ von Climeworks in Island. (Foto: © Climeworks)

Diese Anlage kann 36.000 t CO2 pro Jahr einsammeln und verpressen. Von dieser Art Anlage bräuchte man für jährlich 100 Mio Tonnen CO2 rein rechnerisch 3.000 Stück. Natürlich würden es nicht 3.000 genau solcher Anlagen sein, aber man kann eine bessere Vorstellung von den notwendigen Größenordnungen bekommen. Egal wie die Anlagen großtechnisch aussähen: Sie erfordern mehr als 18% des deutschen Primärenergieverbrauchs im Jahre 2030. Wie man es sich weltweit vorstellen muß, wird klar, wenn man sich in dem Grundsatz-Artikel die Passage zur notwendigen Größenordnung von CCS-Anlagen im Vergleich zur heutigen Ölindustrie durchliest. Dort wird eine wissenschaftliche Studie zitiert, die die zu verarbeitenden Volumina betrachtet: Allein um die 2030 nicht vermeidbaren CO2-Emissionen aufzufangen und abzuspeichern, bräuchte man eine Industrie, die etwa 20 Mal so groß sein müßte wie die heutige Ölindustrie.

Was CCU anbelangt, ist es noch absurder: Nur hypothetisch gedacht – wenn man ALLE theoretisch mit CO2-Folgeprodukten ersetzbaren Stoffe ersetzen würde, könnte man nur 10% des anfallenden CO2 entfernen. Um also bestenfalls 10 % der weltweiten jährlichen CO2-Emissionen zu beseitigen, bräuchte die chemische Industrie aber 55 % der weltweiten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (wie für 2030 prognostiziert). Dies ist, wiederum mit anderen Worten, nichts anderes als eine Manifestation der Entropie.

Das gilt aber nur für die chemische Umwandlung des CO2! Vorher muß es ja noch eingesammelt und verflüssigt werden. Dann sieht es noch absurder aus, denn: Bei den derzeit jährlichen CO2-Emissionen von etwa 36 Gigatonnen benötigen wir nur für die Stabilisierung der CO2-Konzentration auf aktuellem Niveau ca 22 PWh an elektrischer Energie (und 72 PWh thermischer Energie). Die für 2030 prognostizierte Gesamtstromerzeugung von ca 33 PWh würde somit zu 2/3 für CCS bzw DAC benötigt werden. Wohlgemerkt: der Gesamtstrombedarf, nicht nur der aus regenerativen Energiequellen. Mit welchem Strom soll dann die weltweite Infrastruktur und Industrie betrieben werden? Es blieben ja nur noch 9 PWh Strom konventioneller zusammen mit regenerativer Erzeugung für das übrig, was heute (2023) knapp 30 PWh erfordert.

Es wäre sicherlich sinnvoll, CCS und CCU nochmals grundsätzlich zu durchdenken, und das endlich mal nicht politisch, sondern naturwissenschaftlich, genauer: thermodynamisch. Die Naturgesetze können nicht überwunden werden, indem man sie ignoriert.


Über den Autor Dr. Bernhard Weßling: Die Leser mögen bitte keinerlei Befürchtungen hegen, dass sie es bei ihm mit einem „Klimaleugner“ o.ä. zu tun hätten. Er ist promovierter Chemiker und seit Jahrzehnten neben seinem Beruf im Umwelt- und Artenschutz (inkl. Klima) aktiv tätig (wie man auf seiner Webseite erkennen kann). Er hat sich aus seiner eigenen hauptberuflichen chemischen Forschung und Produktentwicklung heraus sowohl mit Thermodynamik als auch mit Nachhaltigkeit wiederum aktiv, nicht nur theoretisch / schreibend / diskutierend, beschäftigt. Er war 1990 Mitgründer und größter Investor des ersten Windparks in den damals Neuen Bundesländern (am Kap Arkona auf Rügen), hat selbst privat seit 2018 eine 10-kW-PV-Anlage auf seinem Hausdach, fährt seit 6 Jahren ein Elektroauto (Renault ZOE), ist seit 2009 Investor und Mitgeschäftsführer eines Biohofes, der über die Zeit hinweg vergleichsweise groß entwickelt wurde mit nunmehr 450 ha Pachtland, 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 7 eigenen Hofläden und der wohl größten Solawi Europas. Und dieser Hof hat vor gut 1 Monat eine 100-kW-Solaranlage in Betrieb genommen. Die 450 ha Pachtland des Hofes sind größer als der Durchschnitt der deutschen Naturschutzgebiete, und diese Flächen leisten signifikante Beiträge für die CO2-Speicherung und die Biodiversität. www.kattendorfer-hof.de
Über Thermodynamik hat er ein Sachbuch bei SpringerNature veröffentlicht: „Was für ein Zufall! Über Unvorhersehbarkeit, Komplexität und das Wesen der Zeit“ (die weltweit wohl erste allgemeinverständliche, populärwissenschaftliche Einführung in die Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik), siehe
https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-37755-7
https://www.bernhard-wessling.com/,
auf der speziellen Einführungsseite des Buches auch ein einführender Artikel aus „Naturwissenschaftliche Rundschau“1

PM: Dr. Bernhard Weßling

PB: Ein visuelles Argument kann vielleicht eine noch bessere Vorstellbarkeit ermöglichen. In der Abbildung sieht man die im Bau befindliche CCS-Anlage „Mammoth“ von Climeworks in Island. (Foto: © Climeworks) Herausgeber: Dr. Bernhard Weßling








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