Werbung Undemokratische Corona-Verordnungen: Bündnis90/Die Grünen klagen gegen Landesregierung und gewinnen Aktuelles Behörden-Mitteilungen Verbraucherberatung 10. März 2021 Hinweis: Die Bildrechte zu den Beitragsfotos finden Sie am Ende des Artikels Landesregierung hat Unterrichtungspflicht gegenüber dem Landtag über die Vorbereitung der sog. Corona-Verordnungen verletzt (WK-intern) – Nds. Staatsgerichtshof trifft Grundsatzentscheidung über Umfang der Unterrichtungspflicht der Landesregierung gegenüber dem Landtag aus Art. 25 der Nds. Verfassung In dem Organstreitverfahren der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Niedersächsischen Landtag (Antragstellerin zu 1.) und der Freien Demokratischen Partei im Niedersächsischen Landtag (Antragstellerin zu 2.) gegen die Niedersächsische Landesregierung (Antragsgegnerin) hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof mit Urteil vom heutigen Tag festgestellt, dass die Niedersächsische Landesregierung den Niedersächsischen Landtag in seinem Recht aus Art. 25 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung auf frühzeitige und vollständige Unterrichtung über die Vorbereitung von Verordnungen verletzt hat, indem sie es unterlassen hat, dem Niedersächsischen Landtag den jeweiligen Entwurfstext der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 2. April 2020, der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020 und der Niedersächsischen Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 22. Mai 2020 zeitgleich mit der Anhörung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zuzuleiten. Die vorgenannten Verordnungen wurden jeweils erlassen, ohne dass eine frühzeitige vollständige Unterrichtung des Niedersächsischen Landtages als Ganzes nach Art. 25 NV erfolgte. Wesentliche Erwägungen: Art. 25 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Nds. Verfassung bestimmen, dass die Landesregierung verpflichtet ist, den Landtag über die Vorbereitung von Verordnungen frühzeitig und vollständig zu unterrichten, soweit es um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung geht. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Mitgliedern des Landtages die notwendigen Informationen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu verschaffen und dadurch die Entwicklung von Initiativen einerseits und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament andererseits zu ermöglichen. Bei den streitgegenständlichen Corona-Verordnungen handelt es sich um solche, die Gegenstände grundsätzlicher Bedeutung betreffen. Sie enthalten Regelungen, die weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen haben, von erheblicher Grundrechtsrelevanz sind, Entschädigungsansprüche gegen das Land auslösen könnten, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden und starke Beachtung finden. Die Landesregierung ist ihrer danach bestehenden Unterrichtungspflicht nicht dadurch nachgekommen, dass sie verschiedene Ausschüsse des Niedersächsischen Landtages in unterschiedlichem Umfang über die Pandemielage und die dagegen getroffenen Maßnahmen im Allgemeinen und über die streitgegenständlichen Verordnungen im Besonderen informiert hat. Die Unterrichtungspflicht besteht nämlich gegenüber dem Landtag als Ganzes. Eine frühzeitige Unterrichtung hätte vorliegend erfordert, den Landtag nach (vorläufigen) Abschluss der internen Willensbildung der Landesregierung zeitgleich mit der erfolgten Anhörung der kommunalen Spitzenverbände vollständig zu informieren. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund der Eilbedürftigkeit die Unterrichtung sehr kurzfristig vor der Verkündung der Verordnung erfolgt. Die Unterrichtung über die Vorbereitung von Verordnungen ist nur dann vollständig, wenn der gesamte Entwurfstext dem Landtag übermittelt wird. Ist der Entwurf mit einer Begründung versehen, ist auch diese vorzulegen. Der Unterrichtungsanspruch selbst verpflichtet aber nicht zur Erstellung einer Begründung des Verordnungsentwurfs. Das Urteil ist abrufbar unter https://staatsgerichtshof.niedersachsen.de/startseite/entscheidungen/rechtsprechungsubersicht-194784.html und wird zeitnah in der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der Niedersächsischen Justiz (www.rechtsprechung.niedersachsen.de) veröffentlicht. Dr. Smollich Die Stellung des Staatsgerichtshof Im Rahmen der Vorgaben des Grundgesetzes (Art. 28 sowie Art. 1 Abs. 3, Art. 31, Art. 100 Abs. 1 und 3 und Art. 142 GG) ordnen die Länder ihre Verfassungsangelegenheiten und damit auch ihre Verfassungsgerichtsbarkeit eigenständig. Dies folgt aus ihrer Eigenstaatlichkeit und ihrer Verfassungsautonomie. Heute gibt es in allen Bundesländern Landesverfassungsgerichte, auch wenn das Grundgesetz sie nicht zwingend fordert, wie sich aus Art. 99 GG ergibt. Es setzt die Landesverfassungsgerichte in Art. 100 Abs. 1 und 3 GG aber ausdrücklich voraus. Niedersachsen hat sich bereits in seiner Vorläufigen Verfassung vom 13. April 1951 (Art. 41) für die Errichtung eines eigenen Verfassungsgerichts, des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs, entschieden. Nach der Wiedervereinigung trat die neue Niedersächsische Verfassung (NV) 1993 in Kraft, das neue Staatsgerichtshofgesetz (NStGHG) folgte im Jahre 1996. Nach dem Vorbild der Regelungen in der Bundesverfassung (Art. 93 und 94 GG) wurde auch in der NV eine Regelung in zwei Artikeln, nämlich in Art. 54 (Zuständigkeit) und Art. 55 (Verfassung und Verfahren), gewählt. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof ist sowohl Gericht als auch Verfassungsorgan. Anders als in vielen Bundesländern bestimmt dies die Niedersächsischen Verfassung nicht ausdrücklich. Es ergibt sich aber aus den Einzelregelungen zum Niedersächsischen Staatsgerichtshof in Art. 54 und 55 NV sowie § 1 Abs. 1 NStGHG. Die Niedersächsische Verfassung regelt die Stellung des Gerichtshofes und seine Kompetenzen im 6. Abschnitt, der der Rechtsprechung gewidmet ist. § 1 Abs. 1 NStGHG bezeichnet den Staatsgerichtshof explizit als ein den anderen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbständiges und unabhängiges Gericht. Als solches genießt der Staatsgerichtshof die richterliche Unabhängigkeit, was in § 1 Abs. 1 NStGHG mit der Formulierung „unabhängiges Gericht“ betont wird. Aus dem Wort „anderen“ ist zu entnehmen, dass der Staatsgerichtshof als das ranghöchste Gericht Niedersachsens Teil der rechtsprechenden Gewalt ist. Der Gerichtshof ist allerdings kein „Superrevisionsgericht“. Seine Zuständigkeiten ergeben sich enumerativ aus Art. 54 NV, der im Gegensatz zu anderen Gerichten keine Generalklausel enthält. Der Staatsgerichtshof ist aber auch Verfassungsorgan, denn er hat einen Großteil seiner Kompetenzen direkt durch die Verfassung zugewiesen bekommen. Aus dem Status folgt, dass der Staatsgerichtshof keinem Ministerium zugeordnet ist, dass er über eine eigene Haushaltsplanung verfügt, Personalbefugnisse besitzt und in der inneren Organisation autonom ist. Die Entscheidungen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs liegen auf der Ebene der Staatsleitung. Er soll die Beachtung der Verfassung durch die anderen Verfassungsorgane sichern, wird aber nur auf Antrag tätig. Seine Entscheidungen binden Landtag und Landesregierung sowie alle Gerichte und Behörden des Landes. Sie haben Gesetzeskraft, soweit sie Landesrecht für nichtig oder mit der Landesverfassung unvereinbar erklären. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof steht selbständig neben dem Bundesverfassungsgericht. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung die Selbständigkeit der Landesverfassungsgerichte herausgestellt und betont, dass sie in ihrem Rechtskreis die Funktion als oberster Hüter des Rechts erfüllen und zur letztverbindlichen Auslegung der Landesverfassung berufen sind. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Landesgesetzes sei deshalb grundsätzlich Aufgabe der Landesverfassungsgerichte. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entscheiden unabhängig voneinander in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen und nach unterschiedlichen Prüfungsmaßstäben. Gleiches gilt gegenüber dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das Europäische Unionsrecht kann weder Prüfungsgegenstand noch Prüfungsmaßstab für Verfahren vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof sein. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof ist aber, wie jedes andere Gericht, berechtigt bzw. gegebenenfalls verpflichtet, eine Auslegungsfrage dem EuGH vorzulegen. PM: Staatsgerichtshof Niedersachsen Weitere Beiträge:Marktsignal und Integration Erneuerbarer Energien stärken – regionale Zusammenarbeit vorantreibenBundeskabinett beschließt Transformationsbericht zur Klimaangstkrise „Schadstofffreie Umwelt“Pensionsfonds investiert mehr als 500 Millionen in die Aktien fossiler Unternehmen