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COVID-19 in der Offshore-Windindustrie –noch immer als höhere Gewalt einzustufen?

PB: Für weitere Informationen kontaktieren Sie gerne Dr. Eckehard Volz[1] und Dilara Kamphuis[2]im Hamburger Büro von Clyde& Co Europe LLP.
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Seit dem letzten Jahr hat die COVID-19-Pandemie Auswirkungen auf das Leben aller. Unternehmen auf der ganzen Welt haben mit verschiedensten Herausforderungen gekämpft, darunter Einkommensverluste und zusätzliche Kosten durch die Umsetzung von Gesundheits-und Sicherheitsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

(WK-intern) – Daneben hat die Pandemie außerdem große Auswirkungen auf verschiedene einzelne Projekte in der Offshore-Windpark-Industrie, die viele Stakeholderbetreffen.

Da die Pandemie und die staatlichen Restriktionen noch andauern und ein Ende derzeit nicht absehbar ist, rechnen wir weiterhin damit, dass Unternehmen weltweit auch in Zukunft mit verschiedenen Einschränkungen konfrontiert sein werden.

Eine besondere Herausforderung ist, dass an Windparkprojekten nicht nur zwei Parteien, sondern zahlreiche Auftragnehmer und Subunternehmer beteiligt sind. Verschiedene Bauphasen werden nach einem engen Zeitplan koordiniert und sind voneinander abhängig. Neben wetterbedingten Herausforderungen und technischen Schwierigkeiten werden diese Zeitpläne nun auch durch Reisebeschränkungen und weitere staatliche Maßnahmen beeinflusst. So können schon kleine Beeinträchtigungen durch die COVID-19-Pandemie zu erheblichen Problemen im Gesamtzeitplan eines Projekts führen.

Höhere Gewalt
Ein Problem in der Offshore-Windpark-Industrie war die Frage, ob die COVID-19-Pandemie und die durch sie verursachten Auswirkungen als Ereignis höherer Gewalt zu qualifizieren sind. Oft finden sich hierzu vertragliche Regelungen, die Vorrang vor dem Gesetz haben. Sind vertragliche Regelungen jedoch unklar, widersprüchlich oder lückenhaft, gilt das dispositive Recht. Das deutsche Recht definiert den Begriff Höhere Gewalt nicht ausdrücklich, enthält aber zwei Paragraphen, die in diesem Fall relevant sind: §275 und §313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

§275 BGB sieht vor, dass keine Partei eine Pflicht erfüllen muss, die (rechtlich) unmöglich ist. Aus der deutschen Rechtsprechung geht hervor, dass dies auch für Teile eines Vertrages gilt, deren Erfüllung unmöglich ist. Gleiches gilt auch für Pflichten deren Erfüllung vorübergehend unmöglich ist. In solchen Fällen haftet keine Partei gegenüber der anderen Partei für die Erfüllung der Arbeiten -solange sie unmöglich zu erfüllen sind -und für Schäden, die aus diesem Hindernis entstehen. Will eine Partei den Vertrag wegen der eingetretenen Unmöglichkeit kündigen, so ist sie berechtigt, den Vertrag hinsichtlich der betroffenen Arbeiten teilweise oder ganz zu kündigen, wenn die betroffenen Arbeiten für eine Partei von so wesentlichem Interesse sind, dass es unzumutbar wäre, die übrigen Teile des Vertrages ohne den nicht ausführbaren Teil aufrechtzuerhalten.

Ähnlich regelt §313 BGB, dass bei Eintritt von Umständen, die -wären sie bei Vertragsschluss bekannt gewesen -dazu geführt hätten, dass die Parteien den Vertrag gar nicht oder zu anderen Bedingungen geschlossen hätten, die Parteien nach Treu und Glauben verpflichtet sind, die vertragliche Vereinbarung unter Berücksichtigung der neuen Umstände anzupassen. Ist eine solche Anpassung jedoch unmöglich oder zum schweren Nachteil einer Partei, kann der Vertrag gekündigt werden.

Die Anwendbarkeit des §313 BGB muss von Fall zu Fall geprüft werden und ist in den meisten Fällen vor einem zuständigen Gericht nur sehr schwer zu beweisen.
Betrachtet man die Entwicklungen rund um COVID-19 in den letzten Monaten, kann die Pandemie durchaus ein Grund sein, sich entweder auf §275 BGB (bei rechtlichen Leistungshindernissen, wie z.B. durch behördliche Anordnungen zur Mobilität von Mitarbeitern, Hafensperrungen etc.) oder auf §313 BGB (insbesondere bei gestiegenen Kosten, Nichtverfügbarkeit von Materialien, Verzögerungen im Zeitplan oder anderen Auswirkungen, die nicht auf eine Unmöglichkeit im rechtlichen Sinn hinauslaufen) zu berufen.

Erhebliche Verzögerungen
Auch bei Offshore-Windparkprojekten kam es zu erheblichen Verzögerungen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Solche Verzögerungen können im Zusammenhang mit der verzögerten Lieferung von Ausrüstung, teilweisen oder vollständigen Stilllegungen und Schließungen von Fabriken, behördlichen Maßnahmen in Bezug auf die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und der Umsetzung solcher Maßnahmen entstanden sein. Insbesondere die Umsetzung dieser neuen Maßnahmen war für die Unternehmen mit hohen Kosten und Anstrengungen verbunden und sie mussten sich zunächst intern damit auseinandersetzen, was wiederum zu organisatorischen Verzögerungen führte.

Die meisten Verzögerungen sind direkt auf die COVID-19-Pandemie bzw. die sich daraus ergebenden Einschränkungen zurückzuführen, so dass die Partei, die die Verzögerungen erleidet, höchstwahrscheinlich aufgrund bestimmter vertraglicher Bestimmungen oder gesetzlicher Vorschriften entschuldigt ist. Zu beachten ist jedoch, dass die Pandemie nur dann als Ereignis höherer Gewalt angesehen werden kann, wenn sie die Vertragspartei in eine Lage versetzt, in der sie ihre Leistung nicht erbringen kann. Da die Pandemie nun schon etwa ein Jahr andauert, kann man sich nicht pauschal mit dem Argument exkulpieren, dass die Pandemie ein Ereignis höherer Gewalt sei (siehe weiter unten). Darüber hinaus sind die Vertragsparteien generell verpflichtet, Verzögerungen so weit wie möglich abzumildern. Wir haben gesehen, wie schwierig es für die Parteien ist, nachzuweisen, dass ihre Schadensbegrenzungsmaßnahmen ausreichend bzw. notwendig waren. Daher sollten stets konkrete Listen mit vollständigen Nachweisen erstellt und laufend aktualisiert werden, um sie im Falle von Verhandlungen oder Streitigkeiten zur Verfügung zu haben.

Die Verzögerungen führen meist zu verspäteten Projekt-und Meilensteinplanungen mit erheblichen Auswirkungen.

Kausalität
Da die COVID-19-Pandemie nach deutschem Recht als höhere Gewalt angesehen werden kann, kann sie eine Partei von ihren Verpflichtungen nach den oben genannten Vorschriften befreien. Ein Ereignis höherer Gewalt allein reicht jedoch nicht aus. Die konkreten Hindernisse, die die Leistung unmöglich machen und denen sich eine Partei gegenübersieht, müssen in einem engen Zusammenhang mit der Pandemie und ihren Folgen stehen. Das Ereignis höherer Gewalt und dessen Folgen müssen die einzige oder zumindest eine wesentliche Ursache für die erlittene Beeinträchtigung und Unmöglichkeit sein. Daher muss die Partei, die sich auf Unmöglichkeit beruft, eine vollständige Kausalkette nachweisen, um im Zusammenhang mit höherer Gewalt von ihrer Leistung befreit zu werden. Außerdem trägt sie die Beweislast hierfür.

Vorhersehbarkeit
Da die COVID-19-Pandemie bereits seit etwa einem Jahr andauert, könnte man die (Un-) Vorhersehbarkeit der Pandemie in Frage stellen. Unvorhersehbarkeit ist bei den meisten vertraglichen Höhere-Gewalt-Klauseln erforderlich, damit eine Partei sich darauf berufen kann.

Es ist weithin anerkannt, dass die COVID-19-Pandemie vor 2020 ein unvorhersehbares Ereignis war oder zumindest die weitreichenden Einschränkungen, die sich daraus ergaben. Es ist auch klar, dass inzwischen alle Auswirkungen des bekannten Ausmaßes, d.h. Lockdowns, Reisebeschränkungen, Einwanderungsbeschränkungen und Quarantäne, im Bezug auf Verträge, die innerhalb des letzten Jahres abgeschlossen wurden, vorhersehbar geworden sind.

Als erste Konsequenz sollten die Vertragsparteien neben allgemeinen Force Majeure-Klauseln also auch COVID-19-Klauseln für den Zeitraum implementieren, in dem die Pandemie voraussichtlich Auswirkungen auf das Projekt haben wird. Dies wirft gerade für sich bereits in der Ausführung befindliche Verträge wichtige Fragen auf: Wie lange können sich die Parteien auf allgemeine Force Majeure-Klauseln berufen, bis die COVID-19-Ereignisse tatsächlich vorhersehbar werden? Werden vorhersehbare Ereignisse auch dann entschuldigt sein, wenn sie nicht vernünftigerweise hätten verhindert werden können?

Um dies mit einem konkreten Szenario zu füllen: Es war wohl schon seit dem Sommer 2020 absehbar, dass eine vielfach erwartete zweite und sogar dritte COVID-19-Welle zu Reiseeinschränkungen und Stillständen von Baustellen führen würde. Daher war ein Shutdowneines Windparkstandortes im Januar 2021 wohl vorhersehbar. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass keine Partei die Möglichkeit hatte, einen daraus entstehenden Schaden zu verhindern.

Vorkehrungen hätten nur vor der Pandemie getroffen werden können, z. B. durch die Aufstellung eines anderen Projektmeilensteinplans. Während der Pandemie waren jedoch Änderungen unter Beibehaltung der ursprünglichen Vertragsziele nur schwer oder gar nicht durchführbar.

Die Frage kann also nicht sein, ob die Pandemie und ihre Auswirkungen vorhersehbar waren, sondern vielmehr, ob eine Partei vernünftigerweise vorbeugende Maßnahmen hätte ergreifen können.

Das Gleiche gilt nach deutschem Recht. §275 BGB gilt unabhängig von der Vorhersehbarkeit des Ereignisses. Wenn etwas unmöglich ist, muss und kann es nicht ausgeführt werden. War der Umstand, der die Leistung unmöglich macht, jedoch abwendbar weil z.B. vorhersehbar, ist die Partei zum Schadensersatz verpflichtet.

Nach §313 BGB ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Frage, ob ein Vertrag angepasst werden soll oder nicht, der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, fast immer also vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Allerdings müssen auch in diesem Fall beide Parteien Abmilderungsmaßnahmen ergreifen und sind möglicherweise schadenersatzpflichtig.

Ein weiterer Hinweis: Wir haben viele Bestimmungen gesehen, die Leistungsverweigerungsrechte aufgrund höherer Gewalt vorsehen, die diese aber gleichzeitig zeitlich limitieren. Es kann also auch eine vertragliche Begrenzung hinsichtlich der Dauer der Leistungsverweigerungsrechte geben, die insbesondere vom Projektmanagement und den Rechtsabteilungen beachtet werden muss.

Schadensabwicklung und Beilegung
Unternehmen der Windparkbranche müssen derzeit verschiedene Ansprüche und Gegenansprüche abwickeln, die aus oder im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Dies stellt die Projektleitung vor neue Herausforderungen. Eine Anpassung des Vertrages oder eine Änderung der Leistung im Hinblick auf die neuen Umstände kann eine Lösung sein, um die Ausführungsphase und die Meilensteintermine zu verschieben. Eine solche Anpassung muss die Interessen beider Seiten berücksichtigen und sollte ausgewogen sein. Sie sollte auch die Tatsache berücksichtigen, dass die Pandemie noch andauert und sich Beschränkungen, die Verteilung von Impfstoffen sowie neue Gesetze manchmal täglich weiterentwickeln. Ein vorläufiger Vergleich auf kommerzieller Ebene kann helfen, die Ansprüche aufzulösen und den Parteien zu ermöglichen, mit den Arbeiten fortzufahren.

PM: Clyde & Co Europe LLP / Dr. Eckehard Volz / Dilara Kamphuis

PB: Für weitere Informationen kontaktieren Sie gerne Dr. Eckehard Volz[1] und Dilara Kamphuis[2]im Hamburger Büro von Clyde& Co Europe LLP.

[1] Dr. Eckehard Volz ist Rechtsanwalt und Partner im Hamburger Büro von Clyde& Co Europe LLP. Er ist Head des Hamburger Energy& Offshore Teams und spezialisiert auf Schifffahrtsrecht mit über 15 Jahren Erfahrung. Er berät und unterstützt Mandanten bei allen Fragen rund um den Bau eines Offshore-Windparks.
[2] Dilara Kamphuisist Rechtsanwältin im Hamburger Büro von Clyde& Co Europe LLPund Teil des Energy& Offshore Teams. Sie berät regelmäßig Mandanten auf laufender Basis zu allen Phasen des Baus eines Offshore-Windparks. Darüber hinaus ist sie auf Vergaberecht spezialisiert.

Clyde & Co LLP accepts no responsibility for loss occasioned to any person acting or refraining from acting as a result of material contained in this summary. No part of this summary may be used, reproduced, stored in a retrieval system or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, reading or otherwise without the prior permission of Clyde & Co LLP. © Clyde & Co LLP 2021








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