Werbung Windkraft und Smart Grid in Skandinavien, ein Interview mit Carlo Lazar Finanzierungen Produkte Techniken-Windkraft Windenergie Windparks Wirtschaft 19. März 202420. März 2024 Hinweis: Die Bildrechte zu den Beitragsfotos finden Sie am Ende des Artikels Windkraft und Smart Grid in Skandinavien (WK-intern) – Die Einführung von Smart Metern in Deutschland bis 2032 kommt nur langsam voran. Gleichzeitig schreitet der Ausbau der Erneuerbaren Energien dynamisch fort, was zu großen Herausforderungen führen kann. Die skandinavischen Länder installieren derweil teils schon die zweite Generation dieser Geräte. Zwar spielt dort die Windkraft auf Grund völlig anderer Erzeugungsstrukturen teilweise nur eine untergeordnete Rolle (Ausnahme Dänemark), aber auch dort hat sich inzwischen der Wind gedreht. Im Folgenden ein Interview über die aktuelle Lage und warum intelligente Ortsnetzstationen ein wichtiger Baustein des Smart Grids auch in Deutschland sind. Wir haben mit Carlo Lazar gesprochen, der bei dem finnischen Anbieter Aidon seit Jahren am Aufbau intelligenter Netze arbeitet und Lösungsvorschläge für die Herausforderungen der deutschen Netzbetreiber angesichts der Vorgaben des § 14 a Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) mitbringt. Herr Lazar, wie steht es um die Windkraft in Skandinavien? Dänemark ist ja ein Vorreiter auf diesem Gebiet, aber wie stellt sich das in den anderen Ländern dar? Carlo Lazar: Auch in Skandinavien nimmt die Windkraft Fahrt auf. In Europa standen 2022 beim Ausbau der Windkraft drei Länder an der Spitze. Während in Deutschland in diesem Jahr 2,7 GW Leistung installiert wurden, waren es in Schweden und Finnland jeweils 2,4 GW, übrigens komplett onshore. In Norwegen waren es zwar nur 0,45 GW, aber dieses Land spielt mit einem Anteil der Wasserkraft von über 90 Prozent strukturell in einer ganz anderen Liga bei der erneuerbaren Erzeugung. Um die Rolle der Windkraft in Skandinavien einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf die Struktur der Stromerzeugung in diesen Ländern. In Dänemark ist die Sache eindeutig: Der Schwerpunkt liegt auf der Windkraft. In dem deutschen Nachbarland deckt die erneuerbare Erzeugung inzwischen fast 90 Prozent des Strombedarfs, wobei die Windkraft mit über 50 Prozent der mit Abstand wichtigste Faktor ist. In Schweden liegt der fossilfreie Anteil an der Stromerzeugung bei 70 Prozent. Allerdings spielt hier die Windkraft (10Prozent) nur eine untergeordnete Rolle, wenn auch zunehmend. Den Hauptanteil liefern bisher Wasserkraft und Kernkraft. In Finnland wiederum ist die Lage eine völlig andere. Die fossilfreie Erzeugung liegt inzwischen bei 90 Prozent, wird allerdings zu einem Drittel durch Kernkraft generiert. Der Rest wird zu etwa gleichen Teilen durch Wasserkraft, Biomasse und Windkraft gedeckt. Was bedeuten diese heterogenen Strukturen fossilfreier Erzeugung für die Stromnetze? Carlo Lazar: Generell verlangt ein wachsender Anteil der Stromerzeugung aus volatilen Quellen wie der Windkraft und der Photovoltaik eine mitwachsende Intelligenz der Netze. Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber müssen mehr über den Zustand der Stromnetze wissen, um gegebenenfalls durch gezielte Eingriffe die Stabilität sicherzustellen. Die Energiewirtschaft steht also vor zwei Aufgaben: Zum einen, Daten über den Netzzustand und die Stromqualität möglichst in Echtzeit zu erfassen und auszuwerten und zum anderen im Bedarfsfall den Stromverbrauch diesem Zustand anzupassen. Diese Vorgaben wurden zuletzt in Deutschland durch den § 14 a EnWG konkretisiert. Die Umsetzung dieses neuen Gesetzes kann Deutschland zu einem Vorreiter in Europa im Bereich Lastmanagement im Niederspannungsnetz machen. Mehrere Netzbetreiber in den skandinavischen Ländern haben bereits auf das neue deutsche Gesetz reagiert und möchten mehr darüber erfahren. Damit sind die deutschen Netzbetreiber zumindest mittelfristig in der Pflicht, die Netze nicht nur präventiv zu steuern, sondern auch netzorientiert. Dafür braucht man Daten sowie den Zugriff auf die stromverbrauchenden Anlagen wie Wallboxen oder Wärmepumpen. Der Königsweg zur Erfüllung beider Anforderungen besteht in einer Kombination aus digitalisierten Ortsnetzstationen in Verbindung mit Smart Metern, um die erforderlichen Netzzustandsdaten zu erfassen. Dies haben die deutschen Regulierungsbehörden erkannt. Aufgrund der aktuell sehr geringen Anzahl installierter Smart Meter macht es in Deutschland Sinn, die Digitalisierung der Ortsnetzstation zu priorisieren. Das stellt sich in Skandinavien anders dar. Dort liegt die Abdeckung der Haushalte und Unternehmen mit Smart Metern bei 100 Prozent. Eine solche Ausbauquote war und ist bislang in Deutschland gesetzlich nicht gefordert. Ein großer Vorteil bei der Digitalisierung von Ortsnetzstationen liegt darin, dass diese im Gegensatz zum Smart Meter-Rollout ausschließlich vom Netzbetreiber geplant und umgesetzt werden kann. Somit dürfte das für die Netzbetreiber der schnellere und effizientere Weg sein, die durch §14 a geforderten Netzzustandsdaten für die entsprechenden Steuerungsaufgaben zu erheben. Die Ortsnetzstationen sind ja zum überwiegenden Teil in den letzten 50 Jahren in Betrieb gegangen, die Technik ist also nicht wirklich intelligent. Lässt sich denn diese Hardware problemlos aufrüsten? Carlo Lazar: Diese Transformatorstationen verbinden das Mittelspannungs- mit dem Niederspannungsnetz. Mit jeder Station werden ungefähr 150 bis 200 Haushalte mit Strom versorgt, die Anzahl kann schwanken. Diese Anlagen sind bislang sehr einfach aufgebaut und haben Betriebszeiten von etwa 30-40 Jahren. Aus dem Blickwinkel des Smart Grid sind sie aber generell bisher, um es salopp zu formulieren, „stumm“. Sie verteilen zwar den Strom, aber messen und kommunizieren so gut wie gar nicht. Die Verteilnetzbetreiber haben mittlerweile aber ein großes Interesse daran, genauer zu erfahren, was auf der Niederspannungsebene passiert. Ihre Schwerpunkte liegen aktuell darauf, die Auslastung ihrer Stationen und deren Kabelabgänge zu monitoren, um Überlastungen des Transformators bzw. einzelner Kabelabgänge rechtzeitig zu erkennen; besser noch, sie durch entsprechende Maßnahmen zu vermeiden. Darüber hinaus ist es aber auch sinnvoll, mit den erfassten Werten die Blindleistung im Netz und die Power Quality zu managen sowie den allgemeinen Zustand der Ortsnetzstation zu überwachen. Ob und in welchem Umfang die verfügbaren Lösungen diese Anforderungen erfüllen, sollte vor einer Kaufentscheidung im Vorfeld sorgfältig geprüft werden. Ebenfalls zu prüfen ist der Installationsaufwand bei bestehenden Anlagen. Welche Daten benötigen denn die Netzbetreiber Ihrer Meinung nach, um wirklich über den Netzzustand im Bilde zu sein? Carlo Lazar: Laut Messstellenbetriebsgesetz versteht man unter Netzzustandsdaten, die von einem intelligenten Messsystem geliefert werden müssen, Spannungs- und Stromwerte und Phasenwinkel sowie daraus errechenbare oder herleitbare Werte. Das dürfte dann auch der Mindestumfang sein, der nach einer Digitalisierung einer Ortsnetzstation zur Verfügung stehen sollte. Ich persönlich glaube jedoch, dass es noch weiterer Daten bedarf, wie bereits erwähnt. Auch topografische Daten können sehr hilfreich sein. So macht es großen Sinn, die Messpunkte, die mit den Netzzustandsdaten erhoben werden, in die hauseigenen GIS-Systeme zu integrieren. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, darauf zu achten, ob und mit welchem Aufwand die neu gewonnenen Netzzustandsdaten in die Bestandssysteme des Netzbetreibers integriert werden können. Der skandinavische Markt ist in Sachen Netzdigitalisierung bereits weiter als der deutsche Markt. Welche Lehren lassen sich aus den dortigen Erfahrungen hinsichtlich des Einsatzes intelligenter Komponenten ziehen? Carlo Lazar: In Skandinavien wurden die ersten intelligenten Zähler bereits im Jahr 2003 in Betrieb genommen. Finnland und Schweden implementieren derzeit schon die zweite Generation dieser Zähler. Hauptziele dieser Rollouts sind die automatisierte Abrechnung der Energiemengen sowie die Visualisierung von Verbrauchsdaten. Es werden mehr und mehr technische Daten über das Niederspannungsnetz erhoben, um den Netzbetrieb zu optimieren. Alle Verteilnetzbetreiber in den nordischen Ländern sammeln 15-minütige 4Q-Lastprofile von ihren Smart Metern. Zusätzlich werden noch Spannung, Strom, aber auch Daten zur Netzqualität (THD) erfasst. Mit einstellbaren Grenzwerten und Alarmmeldungen bei Verletzung dieser Grenzen betreiben einige Netzbetreiber eine Art Vorwarnsystem. Durch eine solche Strategie kann die zu verarbeitende Datenmenge erheblich reduziert werden. Wir erkennen deutlich den Trend, dass Verteilnetzbetreiber aufgrund der steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen, Solaranlagen und Wärmepumpen zunehmend mehr technische Daten aus den intelligenten Zählern zur Netzbetriebsführung nutzen. Die Anzahl von verschiedenen Anwendungsfällen, die die Sammlung von nahezu Echtzeit-Technikdaten aus den intelligenten Zählern beinhalten, wächst in Skandinavien stetig. In Schweden fordern die Verteilnetzbetreiber aufgrund der rasch wachsenden PV-Anlagen mehr detaillierte Informationen über den erzeugten Strom, in Finnland werden mit dem Aidon-Zähler auch Erdschlussfehler im Mittelspannungsnetz lokalisiert. In Norwegen erwägen die Verteilnetzbetreiber, die Softfuse im intelligenten Zähler zu nutzen, um die Kapazität im Netz zu optimieren. Dieser Trend ist heute schon in allen skandinavischen Ländern zu beobachten und wir gehen davon aus, dass noch viele weitere Anwendungen folgen werden. Alles, was sie über Smarte Stromnetze wissen müssen. – Smarte-stromnetze Windkraft-Journal PB: Windkraft und Smart Grid in Skandinavien, ein Interview mit Carlo Lazar Weitere Beiträge:Windenergie: Neue Verordnung beschleunigt Offshore-AusbauZSW- und BDEW-Energieexperten: Klimaziel bleibt auf Grund der Situation beim Windenergie-Ausbau une...Die G132-3.3 MW, eine Klasse-II-Turbine, bietet die beste Energiekosten in seiner Kategorie.