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Politische Kritik wird zum neusten Straftatbestand erhoben – Bundesrat soll gegen politisches Stalking vorgehen

PB: Die von der Ampel einberufene Expert:innenkommission empfiehlt klar: Den Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen aus dem StGB zu streichen. / ©: Die Grünen
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Aus den Protokollen des Bundesrats: Traumatisierte mittellose Mandatsträger*innen verlangen Wiedergutmachung

(WK-intern) – Um Amts- und Mandatsträger*innen und -träger besser zu schützen und gegen politisches Stalking vorzugehen, haben wir hier schon im Mai miteinander diskutiert und diesen Gesetzentwurf eingebracht.

  • Politiker zu stalken ist viel gefährlicher als Mädchen zu vergewaltigen oder Menschen mit Messern abzustechen, das soll nun durch den Bundestag verabschiedet werden

Er sieht unter anderem einen neuen Straftatbestand sowie eine Erweiterung bereits bestehender Straftatbestände auf die kommunale Ebene vor. Wir haben für diesen Vorstoß sehr viel Zuspruch bekommen, nicht nur aus dem Kreis der Länder, sondern auch von der kommunalen Ebene, vom Städte- und Gemeindetag, vom Landkreistag.

Katja Meier (Sachsen): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Demokratie steht in diesen Tagen unter Spannung. Die Veränderungen, die es benötigt, um unser Land fit für die Zukunft zu machen, sorgen bei vielen Bürger*innen und Bürgern für Diskussionen um den richtigen Weg nach vorn. Dass diese Diskussionen mitunter heftig geführt werden, ist gut und gehört zu einer ehrlichen Debatte dazu. Das hat ja nicht zuletzt die Diskussion der letzten Tage um den Bundeshaushalt gezeigt. Wir erleben aber seit geraumer Zeit noch etwas anderes: die gezielte Verhetzung und Verächtlichmachung demokratisch Engagierter.

Dies wird nicht nur von Kräften betrieben, die auch in Zukunft keinen Platz hier in diesem Hohen Haus haben werden. Die Kampagnen werden auch aus dem Ausland gesteuert und über soziale Medien, beispielsweise über Gruppen bei Telegram, verbreitet. Dies geschieht schon seit vielen Jahren. Der richtige Umgang damit ist Teil einer Diskussion, die zu Recht intensiv geführt wird, die aber auch zeigt, wie schwierig es ist, hier Fortschritte zu erzielen. Die Verächtlichmachung und Verhetzung hat seitdem Früchte getragen, zumindest aus Sicht ihrer Urheber. Die Wege der friedlichen demokratischen Debatte werden mancherorts verlassen. Dass das so ist, wissen wir alle.

Besonders zu spüren bekommen dies aber in ihrem unmittelbaren Alltag die Menschen, die sich auf kommunaler Ebene für unser Gemeinwohl engagieren. Für viele von ihnen sind Anfeindungen und Bedrohungen leider längst die Regel und eben nicht mehr der Ausnahmefall.

Einschüchterungsversuche und Übergriffe setzen immer mehr Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern zu.

Studien zeigen, dass sie – und ich kann das menschlich total nachvollziehen – ihr Verhalten verändern: Sie äußern sich nicht mehr zu bestimmten Themen, suchen bestimmte Orte nicht mehr auf. Im schlimmsten Fall überlassen sie das Feld schweren Herzens denjenigen, die ein dickeres Fell haben oder sich mit jenen auf einer Linie wissen, die undemokratisch ihre Gegner bekämpfen.
Um Amts- und Mandatsträger*innen besser zu schützen und gegen politisches Stalking vorzugehen, haben wir hier schon im Mai miteinander diskutiert und diesen Gesetzentwurf eingebracht. Er sieht unter anderem einen neuen Straftatbestand sowie eine Erweiterung bereits bestehender Straftatbestände auf die kommunale Ebene vor. Wir haben für diesen Vorstoß sehr viel Zuspruch bekommen, nicht nur aus dem Kreis der Länder, sondern auch von der kommunalen Ebene, vom Städte- und Gemeindetag, vom Landkreistag. Aber wir haben durchaus auch Skepsis erfahren.
Im Kern geht es darum, das Ansehen der Entscheidungen und die Attraktivität des Engagements von Amts- und Mandatsträger*innen zu schützen, indem auch niedrigschwellige, aber gezielte Übergriffe im direkten privaten Lebensumfeld bestraft werden. Das ist auch ein Zeichen, dass demokratische Prozesse nur dann funktionieren, wenn sie bestimmten Regeln folgen.
Drohbriefe oder Aufmärsche vor Wohnhäusern sind kein legitimes demokratisches Mittel. Das sind Bedrohungen und Einschüchterungen, um politischen Druck auszuüben. Wenn vor der Haustür der Bürgermeister*in ein Schweinekopf abgelegt wird, meine Damen und Herren, dann sind das Mafiamethoden, und diese gehören definitiv nicht zum demokratischen Diskurs.

Hier ein Stoppschild aufzustellen, ist ein Zeichen, dass unsere Gesellschaft politisches Stalking eben nicht als legitime Form der politischen Auseinandersetzung akzeptiert und eine weitere Verrohung der Auseinandersetzung nicht zulässt. Denjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, zeigt das, wogegen sie sich wehren können. Und es zeigt, dass jeder Mensch in unserem Land selbstverständlich ein Recht auf einen privaten Rückzugsraum und die Achtung der Privatsphäre hat. Deswegen ist strafrechtlicher Schutz an dieser Stelle genauso geboten wie auf Landes- und Bundesebene.

Übrigens sei zur Frage der praktischen Nachweisbarkeit angemerkt, dass Beweisschwierigkeiten den demokratischen Rechtsstaat nicht von der Pflicht entheben, Unrecht auf strafrechtlichem Weg zu ahnden. Die Abteilungen in den Staatsanwaltschaften, die sich mit Staatsschutzdelikten befassen, tun das selbstverständlich mit höchster Kompetenz. Ebenso entscheiden natürlich am Ende die Gerichte, ob im Einzelfall eine Strafwürdigkeit gegeben ist oder eben nicht.

Wir haben die wiederholte Tathandlung bewusst nicht zur Voraussetzung gemacht. Alles andere ginge auch an der Realität des politischen Stalkings vorbei. Denn die Übergriffe gehen in der Regel nicht von ein und derselben Person aus. Sie kommen von ganz unterschiedlichen Seiten. Wechselnde Personen stellen Kindern einer Bürgermeister*in nach oder kreuzen mit weiterer Verstärkung vor ihrer Wohnung auf. Politisches Stalking besteht aus einer Reihe solcher Handlungen. Diese Handlungen mögen vielleicht unkoordiniert sein, aber – und das ist das Entscheidende – sie finden nicht im luftleeren Raum statt, und sie dürfen nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Denn auch, wenn die Glieder dieser Eskalationskette
nicht zwangsläufig dieselben Personen sind, sind sie trotzdem in ihrer Ziel- und Stoßrichtung miteinander verbunden. Gehandelt wird in Kenntnis dessen, was sich schon vorher ereignet hat. Das wirkt im Zusammenspiel und mündet in das, was sich etwas spröde als „schwerwiegende Beeinflussung der Lebensgestaltung der betroffenen Person“ fassen lässt. Der Volksmund weiß, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Allerdings können beim politischen Stalking die kleinen konstanten Tropfen, die für sich genommen bislang kaum geahndet werden konnten, zur Erschütterung und bis hin zur Amtsaufgabe führen. Auch sind diese zunächst niedrigschwelligen Fälle, Übergriffe und zunehmenden Grenzüberschreitungen ja häufig die erste Stufe, die die Hemmschwelle für weitere Taten absenkt. Sie bergen immer die Gefahr der Eskalation zu einer konkreten Bedrohung bis hin zu einer Gewalttat. Und wenn das passiert, dann geschieht das eben mitnichten aus heiterem Himmel, sondern mit Ankündigung.

Die Angst vor Einschüchterungsversuchen wächst, und solange wir nicht handeln, ist diese Angst auch begründet. Sie führt dazu, dass es in manchen Gemeinden schwer wird, überhaupt noch Menschen zu finden, die für Ämter und Mandate kandidieren. Zudem richten die Taten in der Summe noch einen weiteren Schaden an, einen, der uns alle trifft, als Demokratie und als Gesellschaft. Denn wenn Entscheidungen nicht mehr sachorientiert, sondern aus Angst getroffen werden, dann untergräbt das auch das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat und greift die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie an. Wir wollen aber doch eine Demokratie, an der die Menschen aktiv teilhaben, in der sie sich einbringen und zu der sie eine echte, gute Beziehung aufbauen, ohne Angst und Schrecken. Politisches Stalking hat im demokratischen Miteinander deshalb nichts verloren. Einer Normalisierung wollen wir mit diesem Gesetzesantrag entgegenwirken.

Wir sollten gemeinsam die Voraussetzungen dafür schaffen, dass politisches Stalking vom Strafrecht erfasst wird – mit einem hoffentlich breiten Schulterschluss aller Länder, der ein wichtiges Zeichen des Zusammenhalts senden würde. Es wäre vor allem ein Signal an diejenigen Bürger*innen, die sich engagieren und die auf demokratischem Weg etwas bewegen wollen. Dass das kein allein ostdeutsches oder sächsisches Phänomen ist, unterstreichen – und dafür danke ich – die Beitritte Nordrhein-Westfalens und Schleswig-Holsteins.

– Vielen Dank!

Amtierende Präsident*in Wiebke Osigus: Herzlichen Dank!

Quelle: Protokoll Bundesrat

PB: Die von der Ampel einberufene Expert:innenkommission empfiehlt klar: Den Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen aus dem StGB zu streichen. / ©: Die Grünen








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