Werbung Überschreitung der Klimaschutzziele im Verkehr ohne Biokraftstoffe noch dramatischer Bioenergie Mitteilungen Ökologie Technik 14. März 2023 Hinweis: Die Bildrechte zu den Beitragsfotos finden Sie am Ende des Artikels In der aktuellen Diskussion über Klimaschutz im Verkehr veröffentlichen zehn Verbände der Agrar- und Energiewirtschaft ein gemeinsames Positionspapier, in dem sie vor den Konsequenzen einer Absenkung der Obergrenze für Biokraftstoffe warnen. (WK-intern) – Dies würde negative Folgen für Klimaschutz, Kraftstoffversorgung, heimische Futtermittelproduktion und landwirtschaftliche Fruchtfolgen sowie die Bioökonomie nach sich ziehen, mahnen die Verbände. Mit Blick auf die am 15. März vom Umweltbundesamt gemäß Klimaschutzgesetz vorzulegende Treibhausgasbilanz für 2022 weisen die Verbände darauf hin, dass Biokraftstoffe in Deutschland jährlich weit mehr als zehn Millionen Tonnen CO2 einsparen. „Ohne flüssige und gasförmige nachhaltige Biokraftstoffe würden die gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz in den kommenden Jahren im Sektor Verkehr noch deutlicher verfehlt werden“, so die Warnung der Verbände. Die Verbände unterstreichen, dass der Klimaschutzbeitrag von Biokraftstoffen kurz- und mittelfristig nicht zu ersetzen sei. In Anbetracht des Zeitdrucks beim Klimaschutz und den drohenden Strafzahlungen aus europarechtlichen Klimaschutzverpflichtungen könne nicht auf nachhaltig zertifizierte Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse verzichtet werden. Stattdessen bedürfe es einer umfassenden, alle Optionen nutzenden Strategie, um eine zügige und fortlaufende Absenkung des hohen Anteils fossiler Energie im Straßenverkehr von heute über 93 Prozent zu erreichen, so das Verbändepapier. Mit dem vom Bundesumweltministerium geforderten Wegfall von Biokraftstoffen würde zudem Deutschlands Abhängigkeit von Energie- und Futtermittelimporten steigen. So stellten Biokraftstoffe 2021 rund 3,7 Millionen Tonnen klimafreundlichen Kraftstoff zur Verfügung. Während der Produktion aus Raps, Zuckerrüben oder qualitativ minderwertigem Getreide entstanden zugleich etwa 3 Millionen Tonnen Futtermittel. Dieser Beitrag zur sicheren heimischen Energie- und Ernährungsversorgung sei gefährdet. Zudem drohe der Verlust einer strategischen Energiereserve sowie tausender Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Die Verbände verweisen weiterhin darauf, dass der vom Bundesumweltministerium vorgelegte Gesetzentwurf mit falschen Begründungen arbeite und auf ein angeblich knappes Angebot für Agrargüter verweise: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in den ersten Monaten des vergangenen Jahres zu erheblichen Preissteigerungen auf den weltweiten Agrarmärkten, insbesondere bei Getreide, Ölsaaten und Pflanzenöl geführt. Die Marktsituation hat sich inzwischen nicht nur entspannt, im Gegenteil: Große Mengen aus der Ukraine exportiertes Getreide in die Nachbarländer führen, wie z. B. in Polen, zu Überschüssen, die inzwischen den Marktpreis unter die Wirtschaftlichkeit des Anbaus drücken.“ Das Positionspapier steht online zum Download zur Verfügung (Link). Zu den unterzeichnenden Verbänden gehören der Bundesverband Bioenergie, der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft, der Deutsche Bauernverband, der Fachverband Biogas, der Grain Club, OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland, der Mittelstandsverband abfallbasierter Kraftstoffe, die Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen und der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie. PM: Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft e.V. Ohne Stickoxid- und ohne Feinstaub-Ausstoß: Dieser alte Wagen kann mit Bioöl, Salatöl, Pommesfett vollkommen schwefelfrei fahren. Genau dafür wurde der Dieselmotor erfunden, nicht für Erdöl / Foto: HB Positionspapier Geplante Absenkung der Kappungsgrenze für Biokraftstoffe: Konsequenzen für Energieversorgung, Ernährungssicherheit und Klimaschutz in Deutschland Berlin Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in den ersten Monaten des vergangenen Jahres zu erheblichen Preissteigerungen auf den weltweiten Agrarmärkten, insbesondere bei Getreide, Ölsaaten und Pflanzenöl, geführt. Die Marktsituation hat sich inzwischen nicht nur entspannt, im Gegenteil: Große Mengen aus der Ukraine exportiertes Getreide in die Nachbarländer führen, wie z. B. in Polen, zu Überschüssen, die inzwischen den Marktpreis unter die Wirtschaftlichkeit des Anbaus drücken. Trotz dieser Marktsituation hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), unterstützt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), mit der Begründung stark gestiegener Preise und einer Verknappung des Angebotes für Agrargüter im Januar 2023 einen Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgelegt. Dieser sieht vor, die Obergrenze zur Anrechnung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse am Endenergieverbrauch (Straße und Schiene) von bislang 4,4 auf 2,3 Prozent in 2024 und danach schrittweise auf null Prozent in 2030 zu reduzieren. Gleichzeitig soll der bislang gesetzlich festgeschriebene Anstieg der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) für die Jahre 2024 bis 2026 abgeschwächt werden. Dies dient nach Ansicht des BMUV der Kompensation zur Erfüllung der THG-Quotenverpflichtung – genauso wie die Anhebung der Anrechnungsfaktoren für Strom (von 3- auf 4-fach), Wasserstoff und strombasierten Kraftstoffen (E-Fuels, von 2- auf 3-fach) und die Verlängerung der Anrechnung von Emissionsminderungen bei der Erdölförderung, den sogenannten Upstream Emission Reduction-Maßnahmen, bis 2028. De facto führt dies zu einer Einschränkung des Klimaschutzes im Verkehr. Das Leid der ukrainischen Bevölkerung und die Sicherung der globalen Ernährung verpflichten zu internationaler Solidarität. Gleichzeitig gilt unsere gemeinsame Sorge auch den Auswirkungen des Konfliktes auf Europa, der Energie- und Versorgungssicherheit sowie dem Klimaschutz in Deutschland. Die erst im Jahr 2022 erfolgte signifikante Reduzierung der Obergrenze zur Anrechnung von 6,5 auf 4,4 Prozent für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse ist das Ergebnis der Gesetzgebung zur nationalen Umsetzung der Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED II) und damit eines politisch verantwortungsvollen und von der Biokraftstoffwirtschaft mitgetragenen Kompromisses. Durch den aktuellen Gesetzentwurf des BMUV soll jetzt nicht nur die Handbremse bei der Ausschöpfung des Klimaschutzpotenzials nachhaltiger Biokraftstoffe gezogen werden. Gleichzeitig wird auch das Vertrauen der betroffenen Wirtschaftskreise in verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen für erneuerbare Kraftstoffalternativen untergraben. Biokraftstoffe sind derzeit das einzig verfügbare Instrument zur dringend notwendigen Defossilisierung der bis zum Jahr 2030 noch ca. 45 Millionen Fahrzeuge umfassenden Bestandsflotte mit Verbrennungsmotoren. “Tank UND Teller” statt “Tank oder Teller” Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die politische Diskussion über die Verwendung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse in ihrer thematischen Breite zu führen. Vor allem ist dabei der Zusatznutzen durch Anbau der landwirtschaftlichen Rohstoffe in Fruchtfolgen sowie die Verwertungsvielfalt anzuerkennen. Die Diskussion darf nicht auf die plakative Zuspitzung einer “Tank oder Teller”-Debatte reduziert werden. Die Anrechnung nachhaltig zertifizierter Biokraftstoffe im Verkehr isoliert im Kontext behaupteter Lebensmittelknappheiten in Frage zu stellen, wird der Komplexität der Wertschöpfungsketten in keiner Weise gerecht. Daher ist es aus Sicht der an der gesamten Wertschöpfungskette Beteiligten (Landwirtschaft, Landhandel, Ölmühlen und Biokraftstoffhersteller) erforderlich, die Vorteile und Hintergründe der Nutzung von Biokraftstoffen in der Debatte über eine national verschärfte Regulierung zu berücksichtigen. Bei EU-weit ambitionierten Klimaschutzzielen strebt Deutschland als einziges Land an, die Obergrenze zur Anrechnung nachhaltiger Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse auf null Prozent zu reduzieren. 1. Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln Ein Produktionsstopp für Biokraftstoffe schränkt die Lebensmittel-Versorgungssicherheit ein Ein Stopp der Produktion nachhaltiger Biokraftstoffe aus Ölsaaten, qualitativ minderwertigem Getreide und Zuckerrüben würde die heimische Proteinfuttermittelversorgung in Deutschland und Europa spürbar reduzieren. Bei der Produktion von nachhaltig zertifizierten Biokraftstoffen werden gleichzeitig hochwertige Futtermittel mit hohen Proteingehalten hergestellt. Diese werden heute in der Tierfütterung eingesetzt, dienen damit der Ernährungssicherung und können in Zukunft teilweise für den direkten menschlichen Verzehr genutzt werden. Die Substitution dieser Proteinmengen erfordert zusätzliche Importe und Anbauflächen aus Ländern außerhalb Europas. Vor diesem Hintergrund konterkariert eine Reduktion der Produktion von Biokraftstoffen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen die Bemühungen um eine stabile, heimisch ausgerichtete Futtermittel- bzw. Lebensmittelversorgung und resiliente Lieferketten. Um auf künftige Ernteausfälle oder durch politische Spannungen ausgelöste Verknappungen vorbereitet zu sein, sollte die Nutzung landwirtschaftlicher Erzeugnisse für Biokraftstoffe als strategische Reserve betrachtet werden. Dies wurde zuletzt 2022 bei der Speiseölverknappung auf dem europäischen Markt deutlich, indem Pflanzenöle aus dem Biokraftstoffbereich in den Lebensmittelbereich gelangten und damit zur Verbesserung der angespannten Versorgungslage beitrugen. Dieser Mechanismus sollte im Hinblick auf eine resiliente Lebensmittelversorgung mitgedacht werden. Bei der in der öffentlichen Debatte sehr präsenten „Teller oder Tank“-These handelt es sich um eine verkürzte Darstellung und die Konstruktion eines Gegensatzes, die der landwirtschaftlichen Realität hierzulande nicht entspricht. Die Ursachen für Mangelernährung und Hunger sind komplexer. 2. Klimaschutz und Versorgungssicherheit mit Energie Biokraftstoffe tragen zur Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen bei Der Ukrainekrieg macht deutlich, dass Deutschland entschlossen und zügig die Abhängigkeit von fossilen Rohöl- und Kraftstofflieferungen verringern muss. Nachhaltige Biokraftstoffe lieferten im Jahr 2021 rund 3,7 Millionen Tonnen klimafreundlichen Kraftstoff und tragen als heimische Energie mit rund 7,2 Prozent gemessen am Kraftstoffverbrauch erheblich zur Energieversorgungssicherheit im Verkehr bei. Im Umkehrschluss festigt ein Verzicht auf Biokraftstoffe die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten aus oftmals instabilen und unsicheren Weltregionen. Biokraftstoffe ermöglichen sofortigen Klimaschutz im Verkehr Biokraftstoffe werden fossilen Kraftstoffen in Deutschland als eine mögliche Erfüllungsoption der gesetzlich verankerten THG-Quote beigemischt. Ziel der THG-Quote ist eine auf den Effizienzwettbewerb technologieoffen ausgerichtete Beschleunigung des Klimaschutzes im Verkehr, um die im Bundes-Klimaschutzgesetz normierten jährlich sinkenden THG-Höchstmengen einzuhalten oder sogar zu unterschreiten. Im Vergleich zu fossilem Benzin oder Diesel mindern Biokraftstoffe, als Ergebnis dieses Wettbewerbs und der hiermit verbundenen Rohstoffvielfalt, die klimaschädlichen Emissionen um bis zu 95 Prozent und sparen hierzulande jährlich weit über 10 Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 ein. Dieser kurz- und mittelfristige Beitrag zur THG-Minderung ist, wie die aktuelle Debatte bestätigt, nicht zu ersetzen. Ohne flüssige und gasförmige nachhaltige Biokraftstoffe würden die gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz in den kommenden Jahren im Sektor Verkehr noch deutlicher verfehlt werden. Auch das Umweltbundesamt bestätigt den Beitrag nachhaltiger Biokraftstoffe zur THG-Minderung in einem Vergleich der Jahre 2019 und 20201. Durch ein Verfehlen der kürzlich auf EU-Ebene im Trilog-Verfahren beschlossenen und verschärften Ziele der EU-Lastenteilungsverordnung drohen bis 2030 Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Daran ändert auch die Erhöhung der Mehrfachanrechnungen für Strom oder andere Erfüllungsoptionen im vorliegenden Entwurf des BMUV nichts. Derartige Anpassungen führen lediglich zu einer rechnerischen Erfüllung der nationalen THG-Quote ohne realen Klimaschutzbeitrag. Das BMUV kann nicht glaubhaft darlegen, wie die derzeit einzige in nennenswertem Umfang wirksame Klimaschutzmaßnahme im Verkehr mittelfristig ersetzt werden kann. Es bedarf einer umfassenden, alle Optionen nutzenden Strategie, um eine zügige und fortlaufende Absenkung des hohen Anteils fossiler Energie im Straßenverkehr von heute über 93 Prozent zu erreichen. Der Zeitdruck ist enorm und erlaubt es nicht, auf nachhaltig zertifizierte Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse zu verzichten. 3. Biodiversität und Fruchtfolgen Biokraftstoffe sorgen für Vielfalt in der Agrarlandschaft Die zur Biokraftstoffherstellung verwendeten heimischen Agrarrohstoffe werden nicht zielgerichtet für die energetische Nutzung in sich jahrelang wiederholenden Monokulturen, sondern im Fruchtwechsel und unter strengen Pflanzenschutzauflagen angebaut. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhöht die Anforderungen zur Fruchtfolgediversifizierung, ergänzt um weitere ordnungsrechtliche Auflagen. Für Biokraftstoffe werden mit der Neufassung der Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED III) die im Vergleich zur Nahrungsmittelproduktion strengen und staatlich überwachten Nachhaltigkeitsvorschriften hinsichtlich der Flächennutzung weiter verschärft. Raps nimmt als Blühpflanze in der Fruchtfolge mit hierzulande ca. 1,2 Millionen Hektar eine wichtige agrarökologische Rolle ein. Das im Boden sehr tiefgehende und verzweigte Wurzelsystem des Winterrapses verbessert die Nährstoffeffizienz und deren Verfügbarkeit für die Folgefrüchte, in der Regel Winterweizen. Der Anbau von Raps vermindert als „Gesundungsfrucht” den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Herbiziden im Getreide. Er ist darüber hinaus essenziell für viele deutsche Imker und bietet zugleich vielen anderen Insekten und Bestäubern mit seiner Blütenpracht eine hervorragende Nahrungsgrundlage. 4. Unabhängige Wertschöpfungsnetze erhalten Energie- und Lebensmittelversorgung autarker, nachhaltig und sicher gestalten Die Vorreiterrolle Deutschlands bei der Quotengesetzgebung und Umsetzung auf EU-Ebene steht auf dem Spiel, wenn mit einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in über Jahre etablierte, integrierte Wertschöpfungsketten und Märkte eingegriffen wird und damit zugleich tausende Arbeitsplätze des ländlichen Raums in einer innovativen Branche riskiert werden. Diese Wertschöpfungsketten zeichnen sich durch die Bereitstellung wertvoller Koppelprodukte und positive Effekte für Biodiversität und Klimaschutz sowie als Beitrag für eine bezahlbare Mobilität aus. In der Summe unterstreichen die genannten Aspekte die Notwendigkeit, die Kappungsgrenze von 4,4 Prozent für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse bei einer steigenden THG-Quotenverpflichtung unverändert zu lassen. Eine andernfalls notwendige Reduktion der THG-Quotenverpflichtung wäre ein Eingeständnis, auch die Klimaschutzziele des Klimaschutzgesetzes zu verfehlen. Die Abkehr von einer erst 2022 in Kraft getretenen politischen Kompromisslösung wäre zudem ein fatales Signal für die Investitionssicherheit in erneuerbare Energien in Deutschland. Weitere Beiträge:Windpark Münsterwald: Bürgerbeteiligung geht in zweite RundeStudie: Erstmals mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Stein- und BraunkohleIndien macht ersten Schritt zu ambitioniertem Klimaschutz