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Biodiversitätsanalyse stärkt die Agrarwirtschaft


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(WK-intern)Oft wird die Gesundheit der Natur zunächst mit Arten- und Umweltschutz gleichgesetzt. Dass gesunde Ökosysteme aber auch einen wirtschaftlichen Nutzen bringen, scheint bisher verborgen. Speziell in der Lebensmittel- und Agrarindustrie können Biodiversitätsanalysen helfen, den Gesundheitszustand von Lebensräumen zu bewerten und geben Unternehmen somit wertvolle Informationen zur Steigerung ihrer Erträge und Qualität. Ein Gespräch mit Jérôme Morinière, Geschäftsführer von AIM und Gründer des Startups spcfy, über die Relevanz von Biodiversitätsanalysen.

Herr Morinière, Ihr Unternehmen AIM hat sich auf Biodiversität spezialisiert. Ein spannendes Feld und unter anderem relevant für die Landwirtschaft. Welche Bedeutung haben Biodiversitätsanalysen für die Agrarindustrie?

Die Bedeutung ist riesig, speziell für eine Branche, die maßgeblich von der Gesundheit der Umwelt abhängt. Wer das Zusammenspiel zwischen Natur und Wirtschaft erkennt, kann sich deren Dienstleistungen zunutze machen. Durch Biodiversitätsanalysen erhalten Unternehmen Einblicke in die Vielfalt und Gesundheit der Ökosysteme. Sie sind das Herzstück unserer Lebensmittelproduktion. Daher sollten Unternehmen diesem Bereich die notwendige Aufmerksamkeit widmen. Wer Hand in Hand mit der Natur arbeitet, verbessert die Qualität und die Quantität seines Ertrages. Das bedeutet: Die Integration von Biodiversitätsanalysen minimiert nicht nur Umweltrisiken, sondern steigert die Effizienz und die Wettbewerbsfähigkeit.

Welche konkreten Auswirkungen hat der Verlust an Biodiversität auf die Lebensmittelproduktion und -versorgungsketten?

Die Auswirkungen sind unmittelbar. Man muss sich das so vorstellen: Jeder Art hat eine bestimmte Aufgabe. Je vielfältiger ein Lebensraum ist, desto mehr „Arbeit“ verrichtet die Natur. Nimmt die Artenvielfalt hingegen ab, sind landwirtschaftliche Betriebe anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Das kann zu Ernteausfällen und Qualitätsminderungen führen. Auch die Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen wie Wasser oder die Beschaffenheit des Bodens hängen eng mit der Gesundheit von Biotopen zusammen. Ein gesundes Ökosystem nimmt deren Betreibern extrem viel Arbeit ab. Wer clever ist, macht sich diesen Umstand zunutze.

Wie können Biodiversitätsanalysen dazu beitragen, diese natürlichen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen?

Ökologische Nachhaltigkeit und Resilienz von landwirtschaftlichen Betrieben und Lieferketten sind in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Punkte. Spricht man von Biodiversitätsanalysen, dann gibt es unterschiedliche Methoden. Wir bei AIM machen uns das Metabarcoding zu eigen. Für dieses Verfahren analysieren wir Mischproben, die aus mehreren tausend Arten bestehen. Diese werden anhand ihrer Genabschnitte identifiziert. Da die Sequenzen immer gleich sind, ähnlich wie bei den Barcodestrichen im Supermarkt, können wir diese recht schnell mit einem Katalog abgleichen.

Wenn wir wissen, wie artenreich ein Biotop ist, hilft uns das, Rückschlüsse auf dessen Gesundheit zu ziehen. Aus den Informationen können landwirtschaftlichen Betriebe wiederum Strategien zur Steigerung der Biodiversität ableiten. Zur Erfolgsmessung werden nach einer bestimmten Zeit erneut Proben entnommen und mit den vorherigen verglichen. Das anhaltende Monitoring hilft, einen detaillierten Überblick in die räumliche und zeitliche Veränderung der Anbauflächen zu erhalten. Durch die Identifizierung von ökologischen Risiken und Chancen können Unternehmen nachhaltige Anbaupraktiken entwickeln, die die Umweltbelastung reduzieren und gleichzeitig die Produktivität und Rentabilität steigern.

Sie haben vom Metabarcoding gesprochen. Gibt es noch weitere technologische Ansätze und Datenquellen, die in der Lebensmittelindustrie verwendet werden, um Biodiversitätsanalysen durchzuführen?

Die Möglichkeiten sind vielfältige. Jede Methode bringt ihre individuellen Vor- und Nachteile mit sich. Prominent sind Ansätze via Satellitenbilder, geografische Informationssysteme (GIS), DNA-Analysen, Remote-Sensing-Technologien und Big-Data-Analysen. Jede dieser Technologien ermöglicht es Unternehmen, umfangreiche Daten über die Artenvielfalt und Gesundheit der Ökosysteme zu sammeln. Auf deren Basis können wiederum fundierte Entscheidungen getroffen werden. Natürlich sind wir noch nicht am Ende der Entwicklung angekommen. Künstliche Intelligenz spielt auch in diesem Bereich eine spannende Rolle. Wir nutzen beispielsweise für jedes Biotop individuelle Indikatoren, die ausschlaggebend für dessen Gesundheit sind – unsere sogenannten NatureKPI’s. Mithilfe dieser Kennzahlen füttern wir unsere Modelle, um Vorhersagen treffen zu können, wie sich die Artenvielfalt in einem bestimmten Lebensraum entwickeln wird. Wir stehen zwar noch am Anfang, aber die KI-gestützten Analysen werden uns helfen, zukünftig noch präzisere Handlungsempfehlungen anzubieten.

Eine ganz praktische Frage: Welche finanziellen und wirtschaftlichen Vorteile können Unternehmen von Biodiversitätsanalysen in der Agrar- und Lebensmittelindustrie ziehen?

Wer die Qualität, die Stärken und die Schwächen seiner Anbauflächen kennt, kann den Arten helfen, ihre jeweiligen Rollen erfolgreich auszuführen. Die Natur ist ein Kreislauf, der durch die kostenlose Arbeit unterschiedlichster Spezies am Laufen gehalten wird. Biodiversitätsanalysen helfen, die Umwelt besser zu verstehen und die Dienstleistungen der Natur zu benennen. Dazu gehören die Wasserverfügbarkeit, Kohlenstoffspeicherung, die Bestäubung von Pflanzen, Klimaregulierung oder Schädlingsbekämpfung. Ein gesundes Biotop erfüllt diese Aufgaben von allein. Schwere Maschinen sind nicht mehr notwendig. Gesunde Ökosysteme sparen Kosten.

Indem wir Arten unterstützen, werden zum Beispiel Anbauflächen widerstandfähig und stabil. Plakativ ausgedrückt, ist die Gesundheit der Natur also zunächst ein wirtschaftliches Interesse. Funktionierende Kreisläufe verrichten kostenlose Arbeit und produzieren mehr Erträge von höherer Qualität. Das bedeutet: Verbesserte Effizienz und Produktivität, eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit, eine bessere Risikobewertung und -management sowie ein verbessertes Image und Markenreputation.

Welche Maßnahmen und Strategien können Unternehmen ergreifen, um die Biodiversität in ihren Lieferketten zu schützen und zu fördern?

Einige Maßnahmen werden sowieso bald Teil der Unternehmensstrategie werden müssen. Vorschriften oder Regulierungen, wie z.B. TNFD, die SDG’s, das Pariser Klimmabkommen, Lieferkettengesetze oder CSRD, geben zu einem gewissen Teil vor, wie sich Unternehmen organisieren müssen. Für all diese Anforderungen braucht es Möglichkeiten, Daten zu erfassen. Biodiversitätsanalysen können helfen, verschiedene Maßnahmen und Strategien zu formulieren, bzw. zu bewerten, die Biodiversität in ihren Lieferketten schützen oder fördern. Die Klassiker sind sicher die Einführung nachhaltiger Anbaupraktiken, die Erhaltung natürlicher Lebensräume, die Unterstützung von Artenvielfalt und die Zusammenarbeit mit Lieferanten, um Umweltstandards zu verbessern. Je nach Biotop und dessen Zusammensetzung sollte eine individuelle Analyse stattfinden, um die dortigen Arten bestmöglich zu unterstützen.

Foto: Jérôme Morinière über die Wichtigkeit von Biodiversitätsanalysen für die Landwirtschaft. © AIM








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