Biogasinventur Niedersachsen: Warnsignale für die Branche – positive Impulse müssen verstetigt werden

(WK-intern) – Die vor Kurzem für das Jahr 2024 veröffentlichte Biogasinventur für Niedersachsen vom 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e. V. (3N) zeigt erstmals die Folgen des fehlenden politischen Rückenwinds im Bereich Biogas.

Zwar ist die Branche seit Jahren ein stabiler Pfeiler der Energiewende und leistet insbesondere im ländlichen Raum einen wichtigen Beitrag zu Versorgungssicherheit und regionaler Wertschöpfung.

Nun wird jedoch ein beginnender Rückgang der installierten Leistung und der Bemessungsleistung sichtbar. Der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen e. V. (LEE NDS/HB) sieht darin ein Warnsignal für einen drohenden strukturellen Kollaps der Biogasbranche, aber auch die Chance, der Branche durch die richtigen politischen Impulse neue Perspektiven zu eröffnen.

„Wir sehen zum ersten Mal, wohin ein jahrelanger Ausstiegspfad ohne Anschlussstrategie führt“, sagt Cord-Heinrich Heitzhausen, Vorstandsmitglied des LEE NDS/HB und selbst Betreiber von Biogasanlagen im Raum Oldenburg und Diepholz. „Die Biogasinventur belegt, dass fehlende Anreize und politische Untätigkeit inzwischen direkt messbar sind: Im Anlagenbestand, in der Leistung und in der fehlenden Weiterentwicklung.“

Flexibilisierung stagniert, Biomassepaket setzt vorsichtige positive Zeichen

Während die vergangene Inventur noch eine wachsende Flexibilisierung im Anlagenbestand zeigte, ist diese Entwicklung nun zum Stillstand gekommen. Der LEE NDS/HB macht hierfür vor allem fehlende Anreize zur Weiterentwicklung verantwortlich. Dabei stellt aus Sicht des Verbandes gerade die Flexibilisierung von Anlagen eine wünschenswerte Entwicklung dar, die der Biogasbranche eine mögliche Rolle im zukünftigen Energiesystem eröffnet.

Doch in den vergangenen Jahren hat es bis auf das kürzlich durch die EU-Kommission genehmigte Biomassepaket keine neuen Impulse aus der Politik gegeben. „Das Biomassepaket öffnet erstmals wieder positive Perspektiven für die Branche, aber nur für das Jahr 2026 und damit nur für einen kleinen Anteil an Anlagen“, so Heitzhausen. „Wenn diese Chance nicht verstetigt wird, verpufft der Effekt. Wir brauchen jetzt ein Weiterdenken über 2026 hinaus.“

Wärme aus Biogas wird immer wichtiger

Die Inventur belegt zugleich die steigende Bedeutung gasförmiger Biomasse für die Wärmeversorgung. Aktuell werden 70 Prozent der anfallenden Wärme aus Biogas genutzt, was bereits ein Viertel der gesamten erneuerbaren Wärme in Niedersachsen ausmacht. Die Entwicklungen bei den Energiepreisen und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) haben diesen Markt in den vergangenen Jahren gestärkt.

Umso wichtiger ist aus Sicht des LEE NDS/HB das Festhalten an dem im GEG vorgesehenen Ziel, dass neue Heizungsanlagen zukünftig mindestens 65 Prozent der Wärme durch Erneuerbaren Energien erzeugen müssen. „In der Wärmeversorgung ist Biogas längst systemrelevant“, betont Heitzhausen. „Wenn Deutschland seine Klimaziele im Wärmesektor erreichen will, führt an Biogas kein Weg vorbei. Deshalb muss für Biogas auch zukünftig ein erleichterter Zugang zum Gasnetz gewährleistet werden.“

Verkehr als Zukunftsmarkt: Deutliche Kapazitätszuwachs bei Biomethan für Bio-CNG und -LNG LKW

Ein dynamisches Wachstum verzeichnet die Kapazität zur Einspeisung von Biomethan, wobei vor allem der Verkehrssektor als möglicher Abnehmer dient. Durch die Weiterentwicklung und zügige Umsetzung der EU-Richtlinie RED III wird hier ein relevanter Zukunftsmarkt als Kraftstoff für Bio-CNG und -LNG LKW erschlossen.

„Viele Betreiber sehen hier endlich wieder eine realistische langfristige Perspektive“, erklärt Heitzhausen. „Allerdings fehlt aktuell noch bei vielen das Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen. In den laufenden Gesetzgebungsverfahren brauchen wir daher unbedingt ambitionierte THG-Minderungsziele und starke Maßnahmen gegen Betrugsfälle. Auch eine Befreiung vom CO2-Anteil an der LKW-Maut wäre ein wichtiges Signal für faire Wettbewerbsbedingungen im Vergleich zur E-Mobilität. Ansonsten wird der Markt weiter ausgebremst, bevor er richtig Fahrt aufnehmen kann.“

Biomasseeinsatz verändert sich: Mehr Wirtschaftsdünger, weniger Flächenbedarf

Die Inventur zeigt zudem eine kontinuierliche Veränderung beim Biomasseeinsatz. Der Anteil von Wirtschaftsdüngern wie Gülle und Mist steigt, gleichzeitig besteht weiterhin ein erhebliches Reststoffpotenzial. Die Nutzung dieser Potenziale hängt jedoch maßgeblich von den entsprechenden politischen Rahmenbedingungen ab.

Zwar wird ein Grundstock an nachwachsenden Rohstoffen immer notwendig sein, doch ihr Einsatz sinkt stetig. Laut der aktuellen Biogasinventur werden erstmals weniger als 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Niedersachsen für Biogas genutzt. „Das zeigt, dass die Branche effizienter wird und zunehmend auf Reststoffe setzt“, so Heitzhausen. „Damit dieser Weg weiter beschritten werden kann, braucht es politische Unterstützung und keine weiteren Hürden.“

Wandel begleiten, Potenziale heben

Die Biogasinventur ist ein Weckruf: Ohne klare politische Leitplanken drohen Rückbau und Investitionsstau. Gleichzeitig eröffnen Biomassepaket, Wärmemarkt und Biomethan der Branche neue Chancen. Entscheidend ist nun, diese Perspektiven langfristig abzusichern.

„Biogas kann und will einen zentralen Beitrag zur Energiewende leisten: In der Wärme, im Strom und im Verkehr“, fasst Heitzhausen zusammen. „Die Biogasbranche ist bereit, sich weiterzuentwickeln. Was es dazu braucht, ist der politische Rückenwind, um Potenziale zu heben, statt sie ungenutzt zu lassen.“

Im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat das 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e. V. (3N) vor Kurzem die Biogasinventur für Niedersachsen für das vergangene Jahr veröffentlicht. Die Biogasinventur erscheint alle paar Jahre und ermöglicht eine umfassende Betrachtung der aktuellen Biogaserzeugung und -nutzung in Niedersachsen. Die nun veröffentlichte Biogasinventur finden Sie hier.

PM: Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen|Bremen e.V. (LEE NDS/HB)

PB: Biogasinventur / ©: LEE NDS/HB